Fotos: eurozine
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Auf "eurozine" findet nicht nur Literatur, sondern jede Art von europäischer Kunst statt. Hier eine Collage der aktuellen Fotoausstellung.

Fotos: eurozine
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Die EU-Grenzen sind dabei längst verschoben: Weißrussland und die Türkei sind, zumindest via Internet- plattform, längst anerkannte Partner.


Was passiert, wenn die Schweden den Türken und diese den Österreichern oder den Slowaken zeigen wollen, was ihre Autoren so schreiben? Sie kommen über kurz oder lang auf das Internet - und hier auf eine Homepage namens eurozine.

eurozine ist ein "Netzwerk der führenden europäischen Kulturjournale", eine ständig wachsende Internetplattform, wo kommuniziert, informiert und ausprobiert wird. 50 Partnerzeitschriften aus 33 Ländern publizieren hier, 100.000 Leserzugriffe gibt es bereits pro Monat. Das ist, gemessen an Formaten wie derstandard. at bescheiden - aber angesichts dessen, dass führende europäische Kulturjournale oft nur 500 Stück Auflage haben, sehr beachtlich. Seit 1995 besteht eurozine, gegründet wurde es von einigen europäischen Kulturjournal-Herausgebern, die seit Mitte der 80er-Jahre in einem losen Netzwerk verbunden waren. Die Basisfinanzierung übernahmen die Republik Österreich und die Stadt Wien.

Die Idee mit dem Internet stammt denn auch - unter anderem - von einem Österreicher. Wespennest-Herausgeber Walter Famler, Klaus Nellen von Transit - Europäische Revue und der Schwede Carl Henrik Fredriksson von Ord & Bild waren Mitte der 90er-Jahre der Ansicht, "dass das Internet nicht unser Feind ist, sondern unser Verbündeter sein kann", wie Nellen formuliert. Diese Ansicht war unter den Kultur- und Literaturschaffenden damals durchaus umstritten. "Viele hatten damals noch den Eindruck, das WorldWideWeb sei vor allem ein Tummelplatz für Pornofreaks", erinnert sich Fredriksson, der heute als Chefredakteur in der eurozine-Zentrale in Wien arbeitet. Doch auch den Bedenkenträgern von damals war klar, dass es nicht viele Alternativen zum Internetaustausch gab. Denn die lose Vereinigung drohte auseinander zu driften. Fredriksson: "Abseits unserer Jahrestreffen geschah nichts."

Jetzt geschieht dafür umso mehr. Nicht nur dass auf der eurozine-Homepage interessante Artikel von Autoren aus ganz Europa in mehreren Sprachen vorgestellt werden, es gibt eurozine auch als virtuelles Kulturmagazin, wo konkret zu bestimmten Themen gearbeitet wird. Sinn und Zweck der aufwändigen Übersetzungen ist, dass die Artikel nicht nur von einer internationalen Internetleserschaft (gratis) konsumiert werden, sondern auch von den Herausgebern von Kulturzeitschriften in ganz Europa wahrgenommen und (kostenfrei) abgedruckt werden. Da pflegt etwa die finnische Kulturzeitschrift Nuori Voima enge Kontakte zu weißrussischen Intellektuellen und Künstlern und liefert so ein sehr authentisches Bild des Landes. Den Text empfand wiederum die Zeitschrift Kritika & Kontext in Bratislava wert, dass er abgedruckt wird. In der Slowakei entsponn sich daraufhin eine Debatte über die Schreckensherrschaft des weißrussischen Präsidenten Lukaschenko - die es vielleicht ohne die eurozine- Publikation nicht gegeben hätte.

Die Osterweiterung fand bei eurozine von Beginn an statt - ebenso sind türkische Kulturmagazine längst fixe Partner im Netzwerk. Die Jahrestagung von eurozine fand im November in Istanbul statt. In Zukunft soll auch grenzüberschreitende Literaturkritik ihren Platz auf der Homepage haben - wenn ein Sponsor gefunden wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 24./25./26.12.2005)