Auf "das beste Weihnachtsfest seit vielen Jahren" hofft Victor Batarseh, der neue Bürgermeister von Bethlehem, auch wenn er seit drei Monaten Bankkredite aufnehmen muss, um die Gehälter der Gemeindebediensteten zu bezahlen. Und immerhin, die Besucherzahlen haben sich im Jahr 2005, das eine relative Beruhigung gebracht hat, im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt, und das ärmliche 30.000-Seelen-Städtchen sieht kurz vor Weihnachten sauberer und aufgeräumter denn je aus.
Auf dem Mittelstreifen der Paul-VI.-Straße, die aus Richtung Jerusalem zur Geburtskirche führt und in den Intifada-Jahren immer wieder Kampfzone war, setzen Stadtgärtner grüne Bäumchen ein, die Hotels sind laut Batarseh für die Feiertage ausgebucht, und mit einem Weihnachtsmarkt, Chorgesängen und Volkstänzen soll für Stimmung gesorgt werden. Autonomiechef Mahmud Abbas hat für die Mitternachtsmesse seinen Besuch angekündigt und knüpft damit an die Tradition seines Vorgängers Yassir Arafat an, der, solange ihn die Israelis noch ließen, am Weihnachtsabend immer Ehrengast in der Geburtsstadt Jesu gewesen war.
Rathaus besetzt
Vor einem Jahr war das Fest noch mehr im Schatten der Intifada gestanden, und bei den Palästinensern wirkte die Trauer um Arafat nach, der erst sechs Wochen zuvor verstorben war. Dass ein bewaffnetes Kommando der Al-Aksa-Märtyrerbrigaden ausgerechnet vier Tage vor Weihnachten wegen interner Konflikte mit der Palästinensischen Behörde das Rathaus besetzt hat, ist für den 70-jährigen Batarseh nur "ein Zwischenfall, der vorbei ist und sich nicht wiederholen wird": "Es ist sicher hier, wie Sie sehen können", versichert er dem STANDARD in seiner geräumigen Kanzlei, die den Krippenplatz überblickt.
Doch die Souvenirhändler, von denen viele in den mageren Jahren vorübergehend zusperren mussten, machen sich Sorgen, dass die Aktionen der maskierten "gunmen" die Touristen wieder abschrecken könnten. "Das ist der falsche Weg, dass sie Gewehre haben, und nicht bestraft werden", schimpft George Baboul, der die typischen Olivenholzfiguren anbietet, "man muss sie ins Gefängnis stecken".
Flüchtige Christen
Vier der fünf Kinder Babouls, der griechisch-orthodox ist, leben im Ausland (in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Griechenland, den USA), und Bürgermeister Batarseh, Katholik und von Beruf Hals-Nasen-Ohren-Arzt, gesteht, dass seine drei Kinder alle nach Kalifornien ausgewandert sind - beredte Beispiele für die dramatische Verflüchtigung der christlichen Gemeinden.
Im Raum von Bethlehem waren die Christen vor einigen Jahrzehnten noch in der Mehrheit, jetzt machen sie nur noch rund ein Viertel der Bevölkerung aus. Batarseh sympathisierte mit der marxistischen "Volksfront zur Befreiung Palästinas", bezeichnet sich jetzt aber als "unabhängig". Dass er im Mai Bürgermeister wurde, obwohl die Hamas die Kommunalwahlen gewann, hat er einem Erlass Arafats zu verdanken, wonach das Amt des Stadtvaters von Bethlehem sowie acht der 15 Gemeinderatssitze für Christen reserviert sind.
Glatte Passage
Neu ist heuer nicht nur der Bürgermeister, sondern auch ein etwas gespenstischer, sechs Millionen Euro teurer "Übergangsterminal" - mit gepanzerten Kontrollschaltern, ferngesteuerten Drehkreuzen und verwirrenden Gängen ausgestattet, ersetzt es am Stadtrand die bisherige "wilde" Straßensperre. Die Israelis wollen den Besuchern damit eine "glatte Passage" durch die umstrittene Barriere ermöglichen, die Bethlehem jetzt vom nahen Jerusalem trennt.