Josef Cap beklagt die mangelnde Bereitschaft der ÖVP zu einer großen Koalition. Eher komme Schwarz-Grün oder Schwarz-Blau. Oder Alfred Gusenbauer wird Kanzler.

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Eine große Koalition stünde für die ÖVP gar nicht mehr zur Debatte. SPÖ-Klubobmann Josef Cap hält Schwarz-Grün für ausgemacht. Aber es werde ohnedies SP-Chef Alfred Gusenbauer der Kanzler, sagte Cap zu Michael Völker.


STANDARD: Schöne Krawatte, Herr Klubobmann. Aber Schwarz-Grün? Sieht so die Zukunft aus?

Cap: Ja, sieht so aus. Wenn man die Stellungnahmen der Grünen in der Europapolitik betrachtet, unterstützen sie kritiklos die Politik der Bundesregierung. Und da haben wir wirklich Kritik anzubringen, sowohl an der Politik der Bundesregierung, als auch an der Position der Grünen. Europa hilft man nur, wenn man über Veränderungsperspektiven nachdenkt und wenn man konkrete Projekte vorschlägt. Europa hilft man nicht, wenn man nur zuhören will, wie der Bundeskanzler sagt.

STANDARD: Wird Alfred Gusenbauer Bundeskanzler?

Cap: Ja.

STANDARD: Dann hätte sich Schwarz-Grün ohnedies erledigt. Was macht Sie so sicher?

Cap: Gusenbauer und die SPÖ stehen für den Kurswechsel in Österreich und in Europa - ganz im Gegensatz zur Bundesregierung. Schüssel hat im Parlament von der Ratspräsidentschaft berichtet und dabei kein Wort über die Arbeitslosigkeit in Österreich und die 30 Millionen Arbeitslosen in der EU verloren. Er hat kein Konzept für Europa, das über das Modell eines neoliberalen Binnenmarktes hinausgeht. Gusenbauer und die SPÖ haben das, wir sind die Alternative. Es hat seit langer Zeit keine so klare und präzise Programmatik gegeben, wie wir sie für die nächste Nationalratswahl vorweisen können.

STANDARD: Schüssel ist sogar als Dritter Kanzler geworden, bei der letzten Wahl hat er den Abstand noch aufholen können und wurde Erster.

Cap: Wir haben aus den Ergebnissen gelernt und unsere Schlussfolgerungen gezogen. Wir haben uns noch präziser und klarer dargestellt. Wenn Sie auf die machiavellistischen Rankünen des Bundeskanzlers verweisen: Ihm persönlich hat es genutzt, er wurde Kanzler, obwohl er beim ersten Mal der Wahlverlierer war. Wir haben ein seriöseres Vorhaben. Wir wollen, dass die zentraleuropäischen Traditionen der sozialen Sicherheit, der Chancengleichheit, der Gerechtigkeit und der Demokratie sowohl in Österreich als auch auf europäischer Ebene umgesetzt werden. Da haben wir eine sehr gute Chance, dass das eine Mehrheit findet.

STANDARD: Die ÖVP wird einen Persönlichkeitswahlkampf Schüssel gegen Gusenbauer inszenieren.

Cap: Wenn die ÖVP das vorhat, freut es mich. Noch nie ist ein amtierender Bundeskanzler in den Umfragen so schlecht gelegen, noch nie ein Herausforderer so gut. Die ÖVP verbreitet, dass die große Koalition schon ausgemachte Sache sei. Ich behaupte: Schwarz-Grün ist ausgemachte Sache. Das sind nur taktische Vernebelungsversuche von Herrn Molterer, wenn er Kritik an den Grünen äußert. In Wirklichkeit werden zwischen Schwarz und Grün schon die Kuschelsignale ausgesendet. Es gibt auch nur eine einzige Koalition in Österreich, in der sich die Grünen befinden, und das ist in Oberösterreich: Grün und ÖVP.

STANDARD: SPÖ und ÖVP werfen den Grünen vor, jeweils mit dem anderen koalieren zu wollen. Das ist doch seltsam.

Cap: Jede Partei ist autonom und entscheidet selbst, mit wem sie koalieren will. Das Interessante an den Aussagen aus der ÖVP ist, dass sie, sollte sie mit den Grünen keine Mehrheit haben, sogar noch darüber nachdenkt, auch mit dem Herrn Strache eine Koalition zu bilden. Es geht der ÖVP nur um die Perspektive Schwarz-Grün, zur Not Schwarz-Blau oder auch Schwarz-Blau-Orange. Über eine allfällige große Koalition ist die ÖVP gar nicht bereit nachzudenken, wiewohl sie verbreitet, dass das eine ausgemachte Sache sei. Das ist Taktik, aber nicht wirklich ihr Vorhaben und ihr Wille.

STANDARD: Sollte Gusenbauer tatsächlich Bundeskanzler werden, wer wäre dann Vizekanzler? Alexander Van der Bellen oder doch eher Wilhelm Molterer oder Josef Pröll?

Cap: Darüber denken wir im Moment gar nicht nach. Wir versuchen, ein präzises Programmangebot und die vielen Personen, die das tragen können, in der Öffentlichkeit zu vermitteln. Wir wollen den Auftrag für die Regierungsbildung bekommen. Dann werden wir sehen.

STANDARD: Aus heutiger Sicht, wen würde Sie bevorzugen?

Cap: 50:50 würde ich sagen. 50 Prozent ÖVP, 50 Grüne. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2005)