New York/Jakarta/Brüssel/Washington - Die Vogelgrippe-Viren werden Medizinern zufolge zunehmend resistent gegen Tamiflu. In Vietnam seien zwei mit dem Virus H5N1 infizierte Patienten gestorben, obwohl sie mit dem Grippemittel behandelt wurden, schreibt ein internationales Team im US-Fachmagazin "New England Journal of Medicine" vom Donnerstag. "Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass sich bei der zurzeit empfohlenen Behandlung mit (dem Mittel) Tamiflu eine Resistenz entwickeln kann", berichten die Forscher um Menno de Jong von einer Abteilung der Oxford University in Ho-Chi-Minh-Stadt.

"Diese Studie zeigt erneut, wie bedrohlich das Virus ist", sagte der Virologe Prof. John Oxford von der Royal London School of Medicine dem Sender BBC. Es müsse mehr Geld investiert werden, um zusätzliche Medikamente gegen die Krankheit zu entwickeln. Auch andere Grippeviren sind nach Angaben von Anne Moscona (Cornell University, New York) gegen Tamiflu resistent. Ihr Enzym Neuraminidase - ein Angriffspunkt für Tamiflu - sei verändert. Insbesondere warnt die Medizinerin davor, Tamiflu aus Vorsorgegründen Menschen zu verschreiben, die noch nicht erkrankt sind.

Reaktion

Für unbegründet hält das Herstellerunternehmen Roche die Resistenzängste bezüglich Tamiflu. Sozialmediziner Univ.-Prof. Dr. Michael Kunze wurde von Roche in einer Aussendung am Freitag so zitiert: "Tamiflu wurde bisher bei über 33 Millionen Patienten zur Behandlung der Influenza erfolgreich angewandt und zeigte kaum Resistenzen. Resistenzen sind aber bei jedem Medikament zu erwarten. Die Wirksamkeit von Tamiflu ist ausgesprochen hoch und auftretende Resistenzen sind Einzelfälle."

Was die publizierten Fälle betrifft: Drei der vier Verstorbenen erhielten Tamiflu laut dem Unternehmen viel zu spät (am sechsten bzw. siebenten Tag). Das vierte Opfer, ein 13-jähriges Mädchen, sei vermutlich auf Grund einer Resistenz verstorben.

Befürchtungen

Bereits Mitte Oktober hatten japanische Forscher bei einem vietnamesischen Mädchen Hinweise auf Vogelgrippe-Viren entdeckt, die gegen Tamiflu (Wirkstoff Oseltamivir) resistent sind. Das Mädchen war allerdings wieder gesund geworden. Das Virus sei weiterhin empfindlich gegen das inhalierbare Grippemittel Relenza (Wirkstoff Zanamivir) gewesen. Auch nach Angaben von Anne Moscona gibt es bisher keinen Hinweis auf eine Resistenz gegen Relenza. Experten befürchten, dass sich das Vogelgrippe-Virus H5N1 einmal mit einem menschlichen Grippevirus mischt und daraus ein leicht von Mensch zu Mensch übertragbares Virus entsteht.

Unterdessen ist in Indonesien die Zahl der bestätigten Todesfälle durch die Vogelgrippe auf elf gestiegen. Tests der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hätten die Infektion eines Achtjährigen und eines 39-Jährigen mit dem Virus H5N1 nachgewiesen, teilte ein Sprecher der Gesundheitsbehörden am Donnerstag mit. Die beiden Opfer waren bereits Mitte des Monats in der Hauptstadt Jakarta gestorben.

Geberkonferenz

China, die Europäische Union und die Weltbank organisieren am 17. und 18. Jänner in Peking eine internationale Geberkonferenz für den Kampf gegen die Vogelgrippe bei Menschen. Wie die Kommission am Donnerstag in Brüssel mitteilte, werden mehr als 90 Staaten und Vertreter von 25 internationalen Organisationen erwartet.

Die finanzielle Zusage der EU - zusätzlich zu den Beiträgen der EU-Staaten - ist noch nicht festgelegt und soll auf der Konferenz bekannt gegeben werden.

Tamiflu-Zulassung

Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat indessen die Anwendung des vom Schweizer Pharmaunternehmen Roche AG produzierten Antigrippemittels Tamiflu zur vorbeugenden Behandlung auch bei Kindern ab einem Alter von zwölf Monaten zugelassen. Wie das Unternehmen am Mittwoch weiter mitteilte war Tamiflu bisher nur für eine vorbeugende Behandlung bei über 13-jährigen Personen zugelassen und zur Behandlung akuter Fälle für Patienten ab zwölf Monaten.

Tamiflu wird in vielen Ländern für den Fall einer Vogelgrippe-Pandemie vorrätig gehalten. (APA/dpa)