An diesem Montagnachmittag ist der Mann im Trainingsanzug der Herr über das halbe Dutzend Muskelaufbaugeräte und mehrere Dutzend Abschiebehäftlinge im Freizeittreff der Bürener JVA. Die Geräte stehen in den adaptierten Zellenräumen, die Häftlinge - die hier vor ihrer Verbringung ins Ausland in Schichten ihre körperliche Fitness verbessern können - spazieren großteils im Gang auf und ab.
"Schlechtmachen" Wohl auch wegen der anwesenden Besuchergruppe: "23 Stunden auf Zelle, nur eine Stunde Beschäftigung!", raunt ein "Mann aus der Türkei" den Gästen im Vorbeigehen zu. Das sei schlichtweg unrichtig, widerspricht Justizvollzugsinspektor Axel Brämer, einer von 180 uniformierten und privatisierten Bürener Betreuern. Sei vielmehr Ausdruck eines "Schlechtmachens" der Haftbedingungen. Durch Menschen, die oft "zwischen Tür und Angel festgenommen" wurden. Nach manchmal jahrelangem illegalem Aufenthalt in Deutschland oder dem negativen Ausgang ihres Asylverfahrens.
Solche Menschen - so Brämer - befänden sich in einer Ausnahmesituation, manche wiesen gar "suizidale Tendenzen" auf. Zustände, auf die man in Büren nicht vorbereitet gewesen sei, als die ehemalige Nato-Kaserne im Föhrenwald 1994 (bis dahin hatten Militärs dort auf Sprengköpfe aufgepasst) vom Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) umgewidmet wurde. Für die "kurzzeitige Verwahrung von Ausländern zur Sicherung der Abschiebung im Auftrag der Ausländerbehörden", die in NRW Sache der Justiz ist.
Aggressiv
Die früheren Insassen, so Anstaltsleiter Strohmeyer, hätten die ganze Palette aggressiven, selbstzerstörerischen Verhaltens an den Tag gelegt: Prügeleien, viele Suizidversuche, Selbstverletzungen, Hungerstreiks. Probleme, die man derzeit auch aus österreichischen Schubhaftgefängnissen kennt und - so Kritiker - ab 2006 noch öfter kennen wird (siehe Artikel unten).
"Wir mussten dazulernen", sagt Vollzugsinspektor Bärmer. Das Lernrezept lautete Häftlingsbeschäftigung: Weniger Herumsitzen, weniger Leerläufe, statt dessen Sport-, Musik- und Bastelworkshops, psychologische Beratung, tägliche Besuchsmöglichkeit sowie Arbeitsangebote um einen Euro pro Stunde. Im Bastelworkshop werden derzeit bevorzugt Gartenzwerge hergestellt, in einer umfunktionierten Zelle werden sie Besuchern um wenig Geld zum Kauf offeriert.
90 Euro pro Bürener Häftling und Tag veranschlagt das Land Nordrhein-Westfalen insgesamt an Kosten, etwa 60 Euro werden pro "Schübling" in Österreich aufgewendet. Hungerstreiks fänden in der JVA heute "praktisch nicht mehr" statt, lobt Strohmeyer. Hier widerspricht Frank Gockel vom Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.": Essensverweigerung gebe es in Büren weiterhin "regelmäßig". Nur setze man auch hier auf Deeskalation: In der ersten Woche des Streiks werde "einfach weiter das Essen in die Mehrmannzellen gestellt", erst in Woche zwei fänden ärztliche Untersuchungen statt.
Zwangsernährung Bei fortgesetztem Nahrungsboykott wird der Häftling ins Justizvollzugskrankenhaus überstellt, dort wird auch Zwangsernährung durchgeführt (siehe Wissen).
"Bleibt ruhig, versucht möglichst nicht daran zu denken, dass ihr bald abgeschoben werdet", so - meint Gockel - laute das Motto des "Mustergefängnisses". Die Betätigungsmöglichkeiten sollten die Häftlinge von den Gesperren im, von den Zäunen rund um das Areal ablenken. Von den Gefängnisstrukturen, die laut Alph Neubauer im Düsseldorfer Justizministerium durch den Haftzweck - "Die Insassen hindern, sich der Außer-Landes-Schaffung zu entziehen" - gerechtfertigt seien.