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Wien – Österreich verzeichnete 2005 einen neuen Rekord bei der Zahl der Insolvenzen. Aber was Betroffene und ihre Gläubiger nicht freuen kann, enthält auf dem zweiten Blick durchaus positive Signale: "Der Insolvenzrekord ist nicht der Weltuntergang, sondern ein Zeichen der Erneuerung. Je mehr gegründet wird, desto mehr Fallout gibt es – die Zahl der Insolvenzen ist auch ein Zeichen für die gestiegene wirtschaftliche Dynamik", gewinnt Johannes Nejedlik, Geschäftsführer des KSV 1870 (Kreditschutzverband) dem Rekord eine positive Seite ab.

Die nüchternen Zahlen zeigen, dass 2005 insgesamt 7018 Unternehmen "ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen konnten" und insolvent wurden, elf Prozent mehr als im Vorjahr, rechnet Hans-Georg Kantner vom KSV vor. "Allerdings muss man die Zahlen relativieren", denn der in diesen Pleiten angehäufte Schuldenberg (2,4 Mrd. Euro) schmolz um vier Prozent gegenüber dem Vorjahr. Vor allem Großinsolvenzen blieben 2005 aus, die größte Pleite sei im "HO- Maßstab" (Miniaturisierungsmaßstab) ausgefallen – die des Modellbahnbauers Roco.

"Keine Bestandsgarantie"

"Kein Unternehmen hat eine Bestandsgarantie, wenn es nicht bestehen kann, soll es aus dem Kreislauf ausscheiden, bekommt aber im Verfahren eine gute Chance zur Sanierung", philosophiert Kantner über Insolvenzen quasi als wirtschaftlicher Recyclingprozess. "Der Konkurs ist ein Instrument der Sozialisierung von Verlusten", da sie vor allem von denen geschluckt werden müssen, die das verdauen können – öffentliche Hand und Krankenkassen, Banken, große Unternehmen sind die Hauptgläubigen. "Kein Konkurs ohne Chance des Neubeginns: Oft haben dabei Mitarbeiter die Gelegenheit zu einem Buyout."

Auch bei den Möglichkeiten zur Restrukturierung im Zuge von Ausgleich und Zwangsausgleich liege Österreich im europäischen Vergleich gut – Reformbedarf sieht er allenfalls bei der Höhe der Ausgleichsquote (40 Prozent), die gesenkt werden sollte.

"Trial and error"

Kantner sieht in der heurigen Pleitenstruktur – anders als bei früheren Großinsolvenzen – die Gründerwelle am Wirken: "Trial and error" seien notwendig, weil Unternehmer sein mit Risiko zu tun habe. Dabei habe Österreich Aufholbedarf: Hier zu Lande kommen auf 1000 Einwohner 43 Unternehmen, in Skandinavien mehr als doppelt so viele, in Schweden gar 100 Unternehmen pro 1000 Einwohner.

Selbst die steigende Zahl von Privatkonkursen habe eine positive Seite: Denn diese würden den Schuldnern erlauben, von einem Leben als "U-Boot" in die "finanzielle Normalität" zurückzukehren. 6446 Privatkonkurse wurden 2005 angemeldet, "jedes neue Verfahren positiv" – bei geschätzt 150.000 überschuldeten Privatpersonen, die den Schritt zur Schuldenregulierung noch nicht machten. (Helmut Spudich, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.12.2005)