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ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer rät dem BZÖ zu einer Präzisierung des eigenen Profils. Dass die ÖVP noch mit den Grünen zusammenkommen könnte, glaubt er nicht mehr. Die Parteilinken hätten Van der Bellen desavouiert, sagt Molterer im Gespräch mit Michael Völker.

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STANDARD: Die ÖVP liegt in allen Umfragen mehr oder weniger deutlich hinter der SPÖ. Haben Sie noch Hoffnungen auf den ersten Platz bei den Nationalratswahlen?

Molterer: Was heißt Hoffnung? Ich habe die Gewissheit, dass wir es schaffen können. Aber ich muss dazu sagen, dass das nur dann möglich ist, wenn alle 120 Prozent bringen. Selbstverständlich die Bundesebene, aber auch die Ortsebene, die Gemeinde- und Landesebene. Ich bin sicher, dass die ÖVP Erste werden kann, weil die Entscheidungsfrage im Herbst nächsten Jahres lauten wird: Wer führt das Land?

STANDARD: Sie setzen also ganz auf einen Persönlichkeitswahlkampf Wolfgang Schüssel gegen Alfred Gusenbauer?

Molterer: Ich setze natürlich auf die Führungspersönlichkeit, keine Frage. Wolfgang Schüssel hat ja bewiesen, dass er in schwieriger Zeit das Land mit sicherer Hand führt. Aber auch die Volkspartei ist als verantwortliche Kraft in der Bevölkerung verankert. Sie übernimmt auch Verantwortung für schwierige Entscheidungen und reagiert nicht feig. Die Zukunftsperspektive, die die ÖVP vorlegen wird, wird überzeugen. Aber wie gesagt: Das ist keine gemähte Wiese, das ist harte Arbeit. Es wäre fatal, wenn einige meinen, der Wolfgang Schüssel wird das schon richten.

STANDARD: Gerade die EU-Präsidentschaft wird es der ÖVP nicht leichter machen. Die Zeit für innenpolitische Themen wird knapp und die EU-Themen sind nicht sonderlich populär.

Molterer: Es ist schon richtig, dass Europa derzeit nicht das glamouröseste aller Themen ist. Es erfordert Anstrengung und auch eine seriöse Auseinandersetzung mit der Kritik. Was ich aber auf keinen Fall will, ist, Europa als parteiliches Vehikel zu benützen. Das wird die ÖVP nicht tun. Das ist der ganz massive Vorwurf, den ich an die SPÖ und Alfred Gusenbauer richte: Die SPÖ benützt Europa als parteipolitisches Vehikel für ihre taktischen Interessen, sie missbraucht das EU-Thema populistisch. Wir werden den Vorsitz nicht parteilich missbrauchen. Ich gehe aber davon aus, dass Wolfgang Schüssel die Präsidentschaft zu einem Erfolg für Europa machen wird.

STANDARD: Aber die ÖVP will in Österreich Wahlen gewinnen.

Molterer: Wer glaubt, die Innenpolitik wird die nächsten sechs Monate nicht stattfinden, irrt. Europa kommt als Aufgabe hinzu. Die SPÖ wird einer ganz starken, selbstbewussten ÖVP begegnen, die die Auseinandersetzung suchen wird.

STANDARD: Wenn die FPÖ gegen die EU-Präsidentschaft massiv quer schießt, kommt sie dann als Koalitionspartner für die ÖVP nicht mehr infrage?

Molterer: Präzise: Zuerst muss gewählt werden. Die ÖVP tritt als eigenständige Kraft mit dem Ziel an, Nummer eins zu werden. Der Wähler wird entscheiden, wer überhaupt im Parlament ist. Grundsätzlich sage ich, jede Partei, die im Parlament vertreten ist, ist demokratisch legitimiert. Das steht völlig außer Streit. Diese demokratische Normalität haben wir im Jahr 2000 hergestellt, und dabei bleibt's. Bei dem Anti-Europa-Volksbegehren der FPÖ wird die ÖVP aber mit aller Kraft dagegenhalten.

STANDARD: Wie halten Sie es mit dem BZÖ? Das nimmt ja auch eine EU-kritische Position ein.

Molterer: Aber wir haben gerade gesehen, was Hubert Gorbach erreicht hat. In der EU-Wegekostenrichtlinie ist ein ganz großer Durchbruch gelungen. Wirkliche Gratulation. Kritische Anmerkungen sind herzlich willkommen, aber es muss außer Streit stehen, dass die europäische Integration ohne Alternative ist. Wir als Österreicher sind die großen Gewinner der europäischen Integration. Das sagt kaum jemand mehr.

STANDARD: Schon gar nicht das BZÖ.

Molterer: Das BZÖ muss das eigenständige Profil bis zum Herbst des nächsten Jahres so weit präzisieren, dass die Wählerinnen und Wähler das auch anerkennen, was das BZÖ leistet. Da ist ein Stück Arbeit zu tun für die Kollegen, das weiß ich schon.

STANDARD: Glauben Sie an Rot-Grün nach der Wahl?

Molterer: Wenn sich eine rot-grüne Mehrheit ausgeht, dann kommt sie. Das ist meine feste Überzeugung. Das sage ich auch in Kenntnis der Grünen: Dort gibt es eine ganz klare Mehrheit für Rot-Grün. Ich werde alles tun, um das zu verhindern.

STANDARD: Und wenn sich Schwarz-Grün ausgeht?

Molterer: Alexander Van der Bellen ist mit beiden Beinen so gestanden, dass er versucht, Äquidistanz zu halten. Eines der beiden Beine, das Standbein oder das Spielbein, ist ihm von den Parteilinken einfach weggezogen worden. In der realen Situation hat sich bei den Grünen die Wiener Gruppe durchgesetzt. Es ist fahrlässig, wie bei den Grünen mit dem Parteiobmann umgegangen wird. Van der Bellen ist desavouiert.

STANDARD: Das hieße, Sie gehen derzeit gar nicht davon aus, dass Ihnen die Grünen als Koalitionspartner zur Verfügung stehen.

Molterer: Zwölf Monate vor der Wahl weiß man das noch nicht so genau. Aber wenn Sie mich heute fragen, sage ich Ja. Die Grünen würden nur eine rot-grüne Option wahrnehmen, das ist von ihrer inneren Verfassung her gar nicht anders möglich. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.12.2005)