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Der wirkliche Lichtblick in einer düster-behäbigen Inszenierung an der Wiener Volksoper: Matthias Klink als Tamino mit der rettenden Zauberflöte.

Foto: APA / Pfarrhofer

Premiere an der Wiener Volksoper: Regisseur Helmuth Lohner setzt bei Mozarts "Zauberflöte" auf einen Mix aus biederer Nettigkeit und märchenhafter Harmlosigkeit. Und wird bejubelt.

Wien – Sollte einer der fleißigen Mozartjahr-Planer dereinst, aus dem Phantomschmerz heraus, dass das Jahr schließlich doch zu Ende ging, eine Ausstellung jener Requisite andenken, die im Mozartjahr (es hat in Wahrheit schon begonnen) durch eine gewisse Auffälligkeit in Erinnerung geblieben sein werden, darf die Schlange dieser Volksopern-Zauberflöte natürlich keinesfalls fehlen.

Sie ist so riesig, dass sie hundert Taminos verdauen könnte; sie kann Groß und Klein zweifellos erheitern. Und sie ist – wenngleich schon ein erster Hinweis für die Harmlosigkeit dieser Inszenierung – in jenem Anfangsmoment präsent, da diese Version von Helmuth Lohner noch Konturen des detailiert Gearbeiteten aufweist:

Die drei Damen steigen aus düsteren Mauern heraus, sind plötzlich da, um das luftballonartig herumtorkelnde Reptil zu bändigen, und sie umgarnen Tamino sanft mit dem prüden Interesse von Salondamen aus dem 19. Jahrhundert, die sich schon beim nächsten Auftritt in kapriziös-laszive Wesen (passabel: Edith Lienbacher, Adrineh Simonian und Elisabeth Kulman) verwandeln.

Die Verlangsamung

Da spürt man noch eine Regiehand. Keine kühne, aber immerhin eine. Ernüchternd schnell kommt es allerdings zu einer Verlangsamung des Mozart-Geschehens, und schließlich: Ab dem Zeitpunkt, da Sarastro (solide, aber eher unbeweglich: Kaiser Nkosi) ins Geschehen einzugreifen beginnt, ist nur noch eine Mozart-Etüde des Stillstands zu erleben.

Es wird natürlich eine Geschichte erzählt, aber mit Fortdauer des Stücks leider immer mehr in Zeitlupe, bieder und ohne aufleuchtende Inspiration innerhalb einer braven Stilwelt, für die Lohner schlussendlich – verschwiegen soll's nicht werden – auch herzlichst gedankt wurde. Langweile wird offenbar eher verziehen als jeglicher Anflug von Subjektivität.

Natürlich braucht es für ein Gesamtkunstwerk der Fadesse mehr als nur der Regiequelle. Vonnöten ist auch eine musikalische Seite der Werkmedaille, die ihren beschwerenden Beitrag leistet. Nun denn: Leopold Hager lässt das Volksopernorchester zwar opulent und bisweilen schön altmodisch aussingen und agiert mit der routinierten Selbstverständlichkeit eines erfahrenen Organisators.

Seine bisweilen langsamen Tempi und das Fehlen jeglicher Impulse, jeglichen dramatischen, intervenierenden Willens, mit der Szene strukturdeutend in den Dialog zu treten, lässt die Musik zu einer Art komponierter Rüstung werden, in der das Werk nicht mehr vom elegischen Fleck kommt.

Sicher. Gewisse Darsteller brechen aus, legen ihr eigenes Tempo vor. Matthias Klink (als Tamino) erfüllt seine Figur mit Leben und verfügt über eine kostbare Stimme, die ihn für die Opern-Champions-League empfiehlt. Auch das Duo Papageno (als Naturbursch sehr passabel: Paul Armin Edelmann) und Papagena (witzig: Daniela Fally) verlebendigt den Abend.

Koloratursuche Um sie herum allerdings viel schauspielerisch-sängerisches Mittelmaß, das bei Monostatos (Karl-Michael Ebner) beginnt und bei Pamina (Jessica Muirhead) endet. Dazwischen sucht Miriam Ryen (als Königin der Nacht) nach dramatischen Koloraturmitteln, die sie nicht recht findet.

Trotz des düsteren, kreisdominierten Bühnenbildes (Johan Engels), das doch kurzweilige Wechsel ermöglicht, wirkt also alles ein bisschen sehr tiefgefroren; und wenn schließlich die Dunkelheit dem finalen Licht weicht, ist man erleichtert, es hinter sich gebracht zu haben. Kein gutes Gefühl. Dass dem Kollektiv viel Publikumszuspruch zuteil wird, war allerdings irgendwie tröstlich. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.12.2005)