Schwarzenbergplatz 1955

Österreich hatte 2005, im sogenannten "Gedankenjahr", viel zu "gedenken", viel zu befeiern. Eine eigens von der Bundesregierung installierte Kampagne sollte das kulturelle Gedächtnis Österreichs inszenieren, die Vergangenheit - und damit die Wurzeln - des "Neuen Österreichs" bundesweit ins rechte Licht rücken.

Am Ende dieses Jahres wirft dieStandard.at erneut einen Blick zurück, auf die transportierten Geschichtsbilder und Mythen, natürlich mit einem gendersensitiven Blick.
Karl von Vogelsang-Institut/Österreich 2005

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Bertha von Suttner

Laut der offiziellen Homepage des "Gedankenjahres" wird folgenden Jubliäen gedacht:

  • 60 Jahre II. Republik
  • 60 Jahre ÖGB
  • 50 Jahre Staatsvertrag und Unabhängigkeit
  • 50 Jahre Mitglied der Vereinten Nationen und in der Folge Beitritt zum Europarat
  • 50 Jahre Bundesheer
  • 50 Jahre Wiedereröffnung des Burgtheaters
  • 50 Jahre Wiedereröffnung der Staatsoper
  • 50 Jahre Fernsehen
  • 10 Jahre Mitglied der Europäischen Union

    Öfters wird auch die 100 jährige Verleihung des Friedensnobelpreises an Bertha von Suttner erwähnt. Die Frau als Kämpferin für den Frieden fand - anders als die Befreiung Mauthausens - am Rande Eingang in die offiziellen Feierlichkeiten.
  • APA/Redaktion

    Österreich baut auf!

    Doch wer sich vom "Gedankenjahr" grundsätzlich einen aufgeklärten Geschichtszugang erwartet hatte, wurde enttäuscht. Behandelt wurde ausschließlich die Zeit nach 1945, ein Blick in die austrofaschistische oder nationalsozialistische Periode wurde unterlassen. Auch was die geschlechterspezifischen Stereotypen betraf, blieb alles beim Alten. Die "Erfolgsstory" der II. Republik wurde erzählt, in der die ÖsterreicherInnen die "ersten Opfer des Nationalsozialismus" waren, starke Männer dafür aber die harte Arbeit des Wiederaufbaus leisteten.

    Bildnachweis:
    Wien baut auf
    Walter Peck
    Druck: Globus, Wien 1947
    Aus: Wieder frei! - Internetausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek zu Plakaten von 1945-1955

    Und die Trümmerfrauen buddeln.

    Die so genannten "Trümmerfrauen" sollten - parallel zu den jahrzehntelang ausbezahlten Wehrmachtspensionen - für ihren Beitrag mit 300 Euro entschädigt werden. Aber Vorsicht: dies gilt nur für rechtskräftige Mütter. Da kann nur gehofft werden, dass da das Mutterkreuz nicht Patin stand.
    Bild- und Tonarchiv am Landesmuseum Joanneum

    Arbeiterin in der Drahtseilerei Haase in der Karlauerstraße, Graz

    Dass die Frauen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren auch ganz "selbstverständlich" in den Fabriken arbeiteten, um die im Krieg oder in Gefangenschaft befindlichen Männer zu ersetzen, blieb zumeist unerwähnt.
    Bild- und Tonarchiv am Landesmuseum Joanneum

    Arbeiterin in einer Rahmenfabrik, undatiert

    Wahrscheinlich hätte man sonst auch erwähnen müssen, dass diese Frauen später ebenso selbstverständlich wieder durch die Männer ersetzt wurden. Und wie hätte man sonst die Exklusion der Frauen ob ihrer Nichtbelastbarkeit aus dem Arbeitsmarkt erklären sollen?
    Bild- und Tonarchiv am Landesmuseum Joanneum

    For your protection

    Trotz jahrzehntelanger aufklärerischer Geschichts- und Geschlechterforschung erfreuten sich die Bilder der männlichen Aufbauer, Beschützer und Befreier scheinbar neuer Beliebtheit. Dass innerhalb der alliierten Truppen ein durchaus beträchtlicher Teil weiblich war, scheint in den letzten Jahrzehnten vergessen worden sein.

    Bildnachweis:
    For your Protection
    Anton Marek
    Druck: Wien (?) 1946 (?)

    Aus: Wieder frei! - Internetausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek zu Plakaten von 1945-1955

    Fidel in die Neue Republik

    Scheinbar auch von Seiten der österreichischen Politikergarde anlässlich der fidelen Eröffnung der Staatsvertraagsausstellung "Das neue Österreich" in der Österreichischen Galerie Belvedere. Na ja, Spaß muss wahrscheinlich sein ...
    HBF 2005

    Apropos Staatsvertrag ...

    Das Original des Staatsvertrages wurde sogar renoviert und in der Schallaburg ausgestellt. Wer sich hier über die federführende Präsenz einer Frau auf dem Pressefoto wundert, keine Sorge: Elena Belevic hat das Original "nur" renoviert.
    Simone Hofstädter © HOPI-MEDIA

    Auf den offiziellen Fotos ...

    ... mit den staatstragenden Persönlichkeiten war dann natürlich wieder weniger Platz.
    Simone Hofstädter © HOPI-MEDIA

    Bei der Ausstellung ...

    ... "Österreich ist frei" auf der Schallaburg dürften offensichtlich neben "Frau Pröll" (O-Zitat aus dem Pressebericht) auch keine Frauen involviert gewesen sein. Die vermeintliche "Erinnerungsausstellung" hätte auch die Geschichte des "kleinen Mannes" (sic!) erzählen sollen. So fanden sich u.a. Erinnerungen der Mutter Prölls in der Ausstellung, die in der ursprünglichen Form eigentlich rund um die so genannten "Staatsvertragsmacher" Figl und Raab geplant gewesen war.
    © NLK Boltz

    Bei bei der Auftaktveranstaltung,

    ... der historischen Sitzung des Parlaments, hatten - zumindest dem Pressematerial nach zu schließen - nur Männer etwas zu sagen.
    Parlament/Mike Ranz/Österreich 2005

    Schicksals=Papiere

    Auch "Österreich seit 1945 im Staatsarchiv" konnte offensichtlich nur von Männern präsentiert werden.
    © HBF/Minich

    Und auch wenn in der aktuellen Bundesregierung ...

    ... der Frauenanteil überraschend hoch ist, genügt ein Blick in das Publikum der Jubliäumsfeier anlässlich der "60 Jahre Erste Länderkonferenz", um zu erkennen, dass die Politik noch immer ein Terrain fest in Männerhänden ist. Schließlich durfte Erwin Pröll diesmal "Hausherr" sein, wie Leopold Figl 1945 bei seiner Begrüßung.
    © Bernhard J.Holzner/HOPI-MEDIA

    Nachkriegszeit re-loaded?

    Der Ansatz des vermeintlichen "Gedankenjahres", die Jahre nach 1945 wieder erlebbar zu machen, hätte wahrscheinlich durchaus funktionieren können. Dabei herausgekommen sind Unmassen von Dokumentationen und "Events" im Rahmen von 25PEACES, die mit ihren Bombenszenarien die Kriegsgeneration von Neuem traumatisierte, eine reaktionäre und staatstragende Geschichtsverzerrung sowie das Wiederbeleben eigentlich längst vergessener geschlechtsspezifischer Mythen. Alternatives Programm musste am Rande der finanz- und lautstarken Veranstaltungen stattfinden. Kein Platz im kulturellen Gedächntis Österreichs? (red)
    Österreich 2005