Paris/Rom/München - Die Hintergründe der Einigung auf dem EU-Gipfel werden am Samstag von der interantionalen Presse kommentiert:

"Le Figaro (Paris):

"Es ist Deutschland, dem größten Nettozahler in der EU, zu verdanken, dass auf dem Gipfel doch noch eine Lösung in Sicht kam. Die französisch-britische Konfrontation zwischen den beiden starken Persönlichkeiten Tony Blair und Jacques Chirac hatte eine solche Intensität erreicht, dass nur ein Dritter einen Ausweg finden konnte. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Neuling in europäischen Kreisen, hat ihren ersten Auftritt erfolgreich genutzt. Sie erschien als diejenige, ohne die Europa einer neuen Krise nicht hätte entrinnen können, und übernahm mit Autorität die Führung des inzwischen sehr schwer lenkbaren Gespanns des 25. Und dies trug dazu bei, dass Tony Blair sein Gesicht wahren konnte."

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Tony Blair hat gewonnen, weil er mit der Einigung über den EU-Haushalt einen Schiffbruch unter seiner britischen Präsidentschaft verhindert hat. Angela Merkel hat gewonnen, weil es ihr Mut der Debütantin war, das Spiel just im schlimmsten Moment wieder in Gang zu bringen. Auch Jacques Chirac hat gewonnen, weil von ihm nicht mehr verlangt wird, als im Ausgleich zu den sofortigen Abstrichen am 'Britenrabatt' lediglich künftige Reformen in der Agrarpolitik zu versprechen. Aber wenn dies auch alles stimmt, ob beim Gipfel in Brüssel auch Europa gewonnen hat, das ist eine Sache, die es erst noch zu beweisen gilt..."

"La Repubblica" (Rom):

"Die deutsche Kanzlerin hat bei ihrem ersten europäischen Gipfel mit viel Geschick die Rolle als Vermittlerin verkörpert, die es mit viel Geist verstand, den nunmehr sprichwörtlichen Groll zu besänftigen, der zwischen dem französischem Präsidenten und dem britischen Premier herrscht. (...) Es war die deutsche Kanzlerin, die den Kompromissvorschlag ins Spiel brachte, der eine Aufhebung der Verhandlungsblockade vorsah. Und sie hat die neuen EU-Mitglieder davon überzeugt, ein Finanzpaket zu akzeptieren, das weder ihren Erwartungen noch ihren Bedürfnissen entspricht."

"Süddeutsche Zeitung" (München):

"Könnte man die EU nicht auch ganz anders finanzieren als in dieser unwürdigen Basar-Mentalität? Im Dunstkreis des dramatischen Gipfels ist ein altes Reizwort wieder aufgetaucht: die EU-Steuer. Die Kommission in Brüssel und zahlreiche Europaabgeordnete gehören zu ihren Befürwortern. Auch im vorerst blockierten Entwurf für eine EU-Verfassung ist die Steuer zumindest als Möglichkeit enthalten. Mit so einer EU-Steuer würden künftig nicht mehr 25 oder 27 Finanzminister, sondern unmittelbar die Bürger zu den Geldgebern. Dabei geht es nicht um eine zusätzliche Steuerlast, sondern um einen genau kalkulierten Anteil an bereits bestehenden nationalen Abgaben." (APA/dpa/AFP)