Wien - Der Prozess gegen den vor einer Woche gefassten kroatischen Ex-General Ante Gotovina könnte "sehr, sehr unangenehme Wahrheiten ans Tageslicht bringen". Das meinte die kroatische Autorin Slavenka Drakulic in einem Gespräch mit der Info-Illustrierten "News" (Donnerstag-Ausgabe). Das Verfahren vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal gegen Gotovina werde "das Bild der Kroaten ändern, das sie selbst von sich haben".

Ante Gotovina werde als Kriegsheld verehrt. Die Mehrheit der Kroaten sei gegen eine Auslieferung des Generals an das Gericht gewesen. "Auf Grund der Anklage gegen ihn wurde er ein Symbol des Widerstandes gegen das Haager Kriegsverbrechertribunal", sagte Drakulic. Jene Kroaten, die nach seiner Verhaftung für Gotovina demonstrieren, "interpretieren seine Anklage als Kriminalisierung des gesamten Krieges, der gesamten kroatischen Nation. Das ist möglich, weil die ethnische Säuberung von Serben in der Krajina von (Präsident) Franjo Tudjman selbst geplant und zugelassen worden war."

Der seit 2001 untergetauchte General ist unter anderem wegen der Ermordung von 150 Serben und der Vertreibung von 150.000 Menschen bei der Rückeroberung der Krajina 1995 angeklagt. Das kroatische Helsinki-Komitee führte laut Drakulic eine unabhängige Untersuchung der so genannten Operation "Sturm" durch. "Die Erklärung der Behörden war aber immer die gleiche: Einzelne Soldaten haben diese Verbrechen sozusagen eigenständig, ohne das Wissen der Kommandanten verübt", sagte die Autorin und Journalistin. "Trotzdem muss man sich fragen: Wie kann es sein, dass einzelne Soldaten durchdrehen und 150 Menschen erschießen, Dorf für Dorf niederbrennen? Ich betone aber, es muss erst bewiesen werden, dass Gotovina tatsächlich davon wusste." (APA)