Hongkong - Auch am zweiten Tag des Welthandelsgipfels in Hongkong ist es wieder zu Zusammenstößen militanter Demonstranten und der Polizei gekommen. Wie bereits gestern zur Eröffnung der Ministerkonferenz setzte die mit Schildern und Helmen ausgerüstete Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke gegen Demonstranten ein, die gegen eine weitere Liberalisierung des Welthandels protestierten und versuchten, zum abgesperrten Kongresszentrum vorzudringen.

Bereits am Dienstag haben sich nahe des Tagungszentrums mehrere hundert Demonstranten versammelt - darunter südkoreanische Bauern, japanische Fischer sowie Aktivisten aus Bangladesch, Indien, Brasilien und Taiwan. Neun Menschen wurden bei den Ausschreitungen verletzt, darunter zwei Polizisten.

USA warnen vor Rückfall in Protektionismus

Die USA haben indes vor einem Rückfall in den Protektionismus gewarnt, sollten die versammelten Delegationen keine Fortschritte bei ihren Beratungen erzielen. Ein Scheitern würde Gefahren für das Wirtschaftswachstum bedeuten und insbesondere die armen Länder treffen, sagte der US-Handelsbeauftragte Rob Portman bei dem Treffen der Welthandelsorganisation WTO am Mittwoch in Hongkong.

Einer der Hauptstreitpunkte bei den Gesprächen ist die Weigerung der Europäischen Union (EU), ihre Märkte weiter für Agrarprodukte zu öffnen. Am Rande der Tagung kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen koreanischen Bauern und Sicherheitskräften.

Portman rief insbesondere die EU auf, einer Grundsatz-Vereinbarung zum Abbau von Zugangsbeschränkungen auf die Agrarmärkte zuzustimmen. Portman stellte für sein Land eine deutliche Aufstockung der handelsbezogenen Hilfen für Entwicklungsländer in Aussicht. Die Gelder sollen bis zum Jahr 2010 auf 2,7 Mrd. Dollar (2,26 Mrd. Euro) jährlich verdoppelt werden. Die EU hatte zuvor ebenfalls eine deutliche Aufstockung ihrer Hilfen auf eine Mrd. Euro jährlich angekündigt. Japan hat ein Hilfspaket im Umfang von zehn Mrd. Dollar zugesagt.

Indirekte Subvention der Bauern

EU-Handelskommissar Peter Mandelson warf den USA vor, mit Nahrungsmittel-Hilfslieferungen an Entwicklungsländer indirekt die eigenen Bauern zu subventionieren. Die Hongkonger Tagung sollte ursprünglich neuen Rahmenvereinbarungen zum Wegfall von Handelsschranken den Weg ebnen. Diese sind jedoch im Streit um Agrarsubventionen und Zölle auf Industriegüter in die Ferne gerückt. Vertreter der 149 WTO-Mitgliedstaaten befürchteten nun ein erneutes Scheitern des Treffens wie vor zwei Jahren in Cancun. Damals hatten die Entwicklungsländer die Gespräche platzen lassen. Das Treffen in Hongkong dauert noch bis Sonntag.

Schnelles Ende der Baumwollsubventionen

Die westafrikanischen Produzenten haben ein schnelles Ende der Baumwollsubventionen in den Industrieländern gefordert. Ohne eine Einigung in dieser Frage könnte die ganze Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) scheitern, sagten Vertreter der Baumwollbauern am Mittwoch in Hongkong. Die USA und die EU sollten alle Exportsubventionen bis Ende dieses Jahres streichen und die heimische Stützung bis 2009 abbauen, forderte der WTO-Botschafter Benins, Samuel Amehou. Die hohen Subventionen würden ein Überangebot auf dem Weltmarkt schaffen und die 20 Millionen afrikanischen Baumwollbauern ruinieren. Diese erlitten Jahr für Jahr Verluste von 450 Mio. Dollar (379 Mio Euro).

Die Baumwollfrage ist einer der großen Streitpunkte der bis Sonntag dauernden WTO-Konferenz. Die USA, die ihre Baumwollfarmer mit jährlich 3,7 Mrd. Dollar unterstützen, wollen das Thema nicht separat sondern im Rahmen eines großen Landwirtschaftspaketes verhandeln - in dem die EU dann mehr Marktzugang bei anderen Agrarprodukten gewähren müsste. Die WTO hat die Baumwollsubventionen schon im März für illegal erklärt. Die afrikanischen Staaten Benin, Burkina Faso, Mali und Tschad hatten sich bereits bei der WTO-Konferenz in Cancun 2003 erfolglos um ein Ende der Subventionen bemüht. Die EU hat ihre inneren Subventionen, die ohnehin deutlich niedriger als die der USA lagen, nach Angaben der deutschen Bundesregierung seit 2003 einschneidend reformiert.

Scheitern an der Baumwollfrage

Der Präsident der Vereinigung Afrikanischer Baumwollproduzenten im Tschad, Ibrahim Melloun, schloss nicht aus, dass die ganze WTO-Konferenz an der Baumwollfrage scheitern könnte. "Wenn es keine konkrete Lösung gibt, können wir uns keinem Konsens anschließen. In unserem Land ist Baumwolle unser Leben", sagte er. Die WTO-Konferenz kann Beschlüsse nur einstimmig fassen. Der Präsident der Baumwollbauern Burkina Fasos, Francois Traore, warnte, dass nach einem völligen Ruin der Landwirtschaft noch mehr Armutsflüchtlinge nach Europa strömen würden.

Benins Botschafter forderte über den Abbau der Subventionen hinaus vorübergehende Finanzhilfen des Nordens, um den entstandenen Schaden gutzumachen. "Seit fünf Jahren werden die Baumwollproduzenten in Afrika ärmer und ärmer", sagte Amehou.

Paris will Minimallösung

Frankreich strebt beim WTO-Gipfel eine Minimallösung an, die vor allem den armen Entwicklungsländern zu Gute kommen soll. Dazu solle ein Entwicklungspaket mit dem zoll- und quotenfreien Zugang von Produkten der Armen in Industrieländer vereinbart werden, sagte die französische Handelsministerin Christine Lagarde am Mittwoch in Hongkong. Daneben solle der Streit um die Baumwollsubventionen gelöst werden. "Wenn dies beides gelingt, wäre das äußerst positiv und befriedigend." Paris lehnt eine von vielen WTO-Partnern geforderte Verbesserung des EU-Angebots beim Marktzugang für Agrargüter weiterhin strikt ab.

Brasilien für bedingungslosen Abbau von Agrarsubventionen

Brasiliens Außenminister Celso Amorim hat die reichen Industrieländer aufgefordert, ihre handelsverzerrenden Agrarsubventionen ohne Vorbedingungen abzubauen. "Die reichen Länder können keine Bezahlung dafür erwarten, dass sie tun, was sie schon längst hätten tun sollen", sagte Amorim am Mittwoch bei der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Hongkong. Der Brasilianer ist einer der Sprecher der Gruppe G20, in der sich führende Schwellenländer zusammengeschlossen haben. Im Welthandelssystem herrsche "eine Struktur von Privilegien und Ungerechtigkeit", sagte Amorim.

Die EU hat ein Angebot zur weiteren Öffnung ihres Agrarmarktes vorgelegt, erwartet aber von den Schwellenländern Zugeständnisse in den Verhandlungen über Industriezölle (NAMA) und Dienstleistungen (GATS). Im Namen der großen Agrarexportländer (Cairns-Gruppe) forderte Neuseelands Handelsminister Jim Sutton am Mittwoch von den Europäern eine Öffnung der Agrarmärkte auch bei den so genannten sensiblen Produkten. Außerdem müssten alle Exportsubventionen verschwinden. Sutton warnte eindringlich vor einem Scheitern der Doha-Handelsrunde: "Wenn wir diese Chance verpassen, wird sie vielleicht innerhalb einer Generation nicht wiederkommen".

Agrarexporteure erwarten zusätzliche Geschäftschancen

Während sich die großen Agrarexporteure von einer breiten Marktöffnung des Nordens zusätzliche Geschäftschancen versprechen, fürchten die in der ACP-Gruppe zusammengeschlossenen 79 Entwicklungsländer aus Afrika, der Karibik und dem Pazifikraum, die Handelspräferenzen zu verlieren, die ihnen die EU bisher gewährt. Dieser "Präferenzerosion" müsse entgegengewirkt werden, sagte Mauritius' Außenminister Madan Dulloo vor der Presse. Für einzelne Produkte wie Zucker oder Bananen, von denen arme Entwicklungsländer besonders abhängig seien, müsse es nach wie vor eine Sonderregelungen geben, forderte Dulloo. Eine gesonderte und differenzierte Behandlung der Entwicklungsländer ist in der Doha-Runde ausdrücklich vorgesehen. (APA)