Ausgebrannte Bibliothek in der WU

Nach dem von einem oder mehreren Brandstiftern gelegten Feuer im Hauptgebäude der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) muss die Polizei nun in mühsamer Kleinarbeit mögliche Täter auf mehrstündigem Videomaterial suchen. Die Auswertung der Aufzeichnungen aus den Überwachungskameras werde "Tage dauern", sagte Gernot Kögler von der Kriminaldirektion.

Insgesamt sind 150 Gigabyte an Daten aus mehreren Kameras vorhanden. Ausgerechnet der Ort des Feuers, das erste Untergeschoß des Hauptgebäudes, wurde nicht überwacht. Jetzt müssen die Beamten auf den Bildern mögliche Täter ausfindig machen, wobei der ganze Tag des Brandes unter die Lupe genommen wird. Unter anderem suchen die Ermittler nach einer Person, die Benzin in das Haus gebracht hat. Der Treibstoff war als Brandbeschleuniger verwendet worden.

Laut WU-Verwaltungsdirektor Thomas Herzog steht nun die gesamte Überwachung des Hauses auf dem Prüfstand. Man sei gerade dabei, aus den Vorfällen zu lernen. Die bisherigen Sicherheitsvorrichtungen seien "primär darauf ausgerichtet, Leute, die hereinkommen zu filmen und nicht Flüchtende". Center>***

Wien - Der Geruch von Verbranntem liegt noch immer deutlich in der Luft. Am Infostand vor dem Haupteingang werden bei Tee und Kaffee Fragen von den - vergleichsweise - wenigen Studenten beantwortet, die es am Donnerstagvormittag zur Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) treibt. An vier Stellen war in der Nacht auf Mittwoch Feuer gelegt worden, das beträchtlichen Sachschaden anrichtete.

Manche sind nicht sicher, ob Prüfungen stattfinden, andere möchten zu ihren Spinden im ersten Untergeschoß des Hauptgebäudes. "Das waren Spinde, zumindest im Kern A, wo alles weggeschmolzen ist", meint einer der Mitarbeiter der Hochschülerschaft, die auch via Hotline - (01) 313 36-5400 - rund um die Uhr für Beratungen zur Verfügung stehen.

Derweil wurde die Spurensuche aufgenommen: Laut Polizei werden eine Vielzahl von Hinweisen verfolgt und Aufnahmen aus den Überwachungskameras ausgewertet. Weiters überprüfen die Kriminalisten, wer Zugang zu den Bibliotheksräumen gehabt haben könnte, wo der größte Flammenherd gefunden wurde. Fest steht, dass der oder die Täter Papier in Benzin getränkt und angezündet hatten. 30.000 Bücher wurden durch das Feuer vernichtet.

"Ich habe heute nicht gut geschlafen", erzählt ein Student. "Das war ein gezielter Anschlag auf die WU." Weil die Bibliothek vorerst geschlossen bleibt, rät die Hochschülerschaft, auf andere Institute zurückzugreifen. "Wir haben erreicht, dass alle Fristen eingefroren werden, um den Schaden für die betroffenen Studenten möglichst zu reduzieren", erklärt ÖH-Vorsitzender Benedikt Rettenbacher.

Die großen Hörsäle, die zum Teil stark verrußt sind, dürften nach derzeitigen Stand erst nach Weihnachten wieder freigegeben werden. In den kleineren Sälen und Seminarräumen in den oberen Stockwerken könnte jedoch ab Montag wieder ein eingeschränkter Lehrbetrieb möglich sein. (APA,kri, DER STANDARD - Printausgabe, 16. Dezember 2005)