Wien - Wolfgang Schüssel weiß, was eine politisch gute Idee ist. Und so reklamierte er den Vorschlag der Initiatoren der soeben zu Ende gegangenen Staatsvertragsausstellung im Belvedere, die Schau als Basis für ein neues Österreich-Museum zu nehmen, am Dienstag nach dem Ministerrat gleich für sich.

"Alles andere als neu"

"Der Vorschlag ist ja alles andere als neu", meinte er auf STANDARD-Anfrage, "der ist schon sehr früh von mir gemacht worden." Auch ein Vorbild für ein neues österreichisches Museum nannte er: "Ich war in Washington in den National Archives. Wie dort Geschichte vermittelt wird, ist wirklich interessant. Da sind wir in Österreich noch weit, weit hinten."

Die am Montag im STANDARD vom Industriellen Hannes Androsch geäußerte Überlegung, die verschiedenen Ausstellungen des Gedankenjahres, allen voran jene aus dem Belvedere, der Schallaburg und dem jüdischen Museums Wiens, als Grundstock für ein "Haus der Geschichte" zu verwenden, ist in Schüssels Augen jedenfalls "durchaus sinnvoll".

Gegen Neubau

Der Begriff "Haus der Geschichte" wurde vom Gründer des Jewish Welcome Service, Leon Zelman, geprägt. Seine Vorstellung war aber eine andere: Er wollte im Palais Ep- stein einen Gedenkort für jüdische Opfer schaffen.

Das Palais wurde nun vom Parlament übernommen, aus Zelmans Ursprungsidee wurde eine kleine Schau.

Favorit Arsenal

Auch die aktuellen Pläne gehen eher in die Richtung eines klassischen (durchaus patriotischen) Nationalgeschichtsmuseums. Anders als Androsch hält Schüssel dafür einen Neubau nicht für notwendig. "Ich bin dafür, das an einem bestehenden Ort anzubinden." Seinen Favoriten unter den im Gespräch befindlichen Objekten wie das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) im Arsenal, die ehemalige Staatsdruckerei in der Wollzeile oder das Künstlerhaus am Karlsplatz, nannte er auch: "Das Heeresgeschichtliche Museum braucht ohnedies einen anderen Namen."

Spekulationsobjekt

Im Arsenal werden derzeit auch die Ausstellungsstücke der Belvedere-Schau "zwischengelagert" - mithilfe des Bundesheeres. Allerdings platzt das HGM schon heute aus allen Nähten, die etwa 7500 Quadratmeter Ausstellungsfläche sind "blattlvoll", wie ein Verantwortlicher sagt. Da das Arsenal im Jahr 2003 an eine Investorengruppe verkauft wurde, die ihrerseits die Objekte veräußerte, lässt sich neuer Raum auch nicht mehr so leicht zukaufen. "Das Arsenal ist heute ein Spekulationsobjekt geworden", bedauert ein Betroffener.

Bei den zuständigen Verantwortlichen der Stadt Wien hat Androsch mit seinem Vorpreschen offenbar für Irritationen gesorgt. Noch sei man gerade erst in der Konzeptionsphase, heißt es. "Es gab und gibt diverse Gespräche darüber," bestätigt zwar eine Sprecherin von Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny. Auch bestehe grundsätzlich Interesse an einem "Haus der Geschichte" - aber "es wird über verschiedenste Konzepte nachgedacht".

Während die Gemeinde intern über das Projekt "Haus der Geschichte" berät, hat man sich anderenorts schon auf die Suche nach einem passenden Chef gemacht: Die ÖVP forciert für diese Funktion den Zeithistoriker an der Uni Graz Stefan Karner. (Peter Mayr, Barbara Tóth, DER STANDARD Printausgabe, 14.12.2005)