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Mit seiner Sammelklage gegen internationale Konzerne im Namen von südafrikanischen Apartheid-Opfern blieb US-Anwalt Ed Fagan (im Bild vor der Zürcher Zentrale der geklagten Großbank UBS) bisher erfolglos. In Österreich kamen geschädigte Anleger im WEB-Prozess auch mit altmodischen Methoden zu ihrem Recht.

Foto: Reuters/SIGGI BUCHER
Am 13. Dezember ist es so weit: Im "größten Zivilprozess der Zweiten Republik", dem Verfahren von ca. 3250 Geschädigten gegen eine Bank, wird die Schlussrunde eingeläutet; es wird ein - durch die Zustimmung aller Kläger aufschiebend bedingter - Vergleich geschlossen.

Wer die laufende Diskussion um die Einführung von Sammel- oder Gruppenklagen verfolgt, wundert sich vielleicht, wie es dieses WEB-Verfahren überhaupt geben konnte, wo doch diese Gruppenklage noch gar nicht existiert. Wie konnte ein solcher Prozess einfach so verglichen - d. h. mit einem für alle Seiten akzeptablen Ergebnis einvernehmlich beendet - werden?

Die Antwort ist einfach: Selbstverständlich stellt das österreichische Prozessrecht in Form der Zivilprozessordnung (ZPO) bereits heute taugliche Mittel zur Bündelung von Verfahren zur Verfügung. Das WEB-Verfahren liefert dafür ein eindrucksvolles Beispiel.

Prozessökonomie

Nicht nur Kläger können ihre Ansprüche bei gleichartiger Sachlage gemeinsam in einer Klage geltend machen, auch das Gericht kann Verfahren - durch einen simplen Beschluss - verbinden und jederzeit auch wieder trennen. Die einzige Maxime der ZPO ist die Prozessökonomie. Gemacht wird, was den günstigsten Weg zum Rechtsfrieden verspricht. Eine Maxime, an der es nichts zu verbessern gibt.

Dem steht gegenüber, dass die Einführung von Gruppenklagen in Europa - in Anlehnung an die "Class Action" des angloamerikanischen Rechtskreises - durchaus Schule macht. Unlängst hat Deutschland für Klagen von am Kapitalmarkt Geschädigten die Möglichkeit zur Gruppenklage eingeführt. Und in Österreich feilt eine Arbeitsgruppe beim Justizministerium an einem ähnlichen, aber viel weiter reichenden Modell.

Doch nicht alles, was sich aus westlicheren Gefilden in unsere Kultur einzuschleichen versucht, muss auch für uns gut sein. Im allgemeinen Trend der Amerikanisierung, die von eifrigen US-Anwälten wie Ed Fagan vorangetrieben wird, hören offenbar nur wenige die Stimmen derer, die warnen: Ein fremdes Rechtsinstitut kann nicht ohne Schaden einfach in eine Prozessordnung übernommen werden, die nach ganz anderen Regeln spielt.

"Discovery procedure"

Genau das ist zwischen den kontinentaleuropäischen Ländern mit "civil law" und angelsächsischen "common law"-Ländern der Fall. Wir kennen etwa keine "discovery procedure", bei der eine umfangreiche wechselseitige Offenlegungspflicht besteht. Die aber wäre Voraussetzung für ein faires Zulassungsverfahren für die Auswahl aus der Gruppe.

Selbst in "common law"-Ländern wird die Class Action als Geißel massiv kritisiert. Die "Beute-Theorie" erklärt ihr einfaches Rezept: Man nehme eine Class Action und drohe diese einem gesunden Unternehmen an. Das ergibt - zur Abwendung der Klage - ein nettes Sümmchen, das vor Sorge um die öffentliche Bekanntmachung der Klage bezahlt wird. Ganz egal, ob der Anspruch zu Recht besteht oder nicht.

Denn das Unternehmen muss auch im letzteren Fall mit einem enormen Imageschaden rechnen, den auch das Jahre später folgende klagsabweisende Urteil nicht mehr gut machen könnte. Ein für die Unternehmerschaft gefährlicher Weg, der hier eingeschlagen wird und den am Schluss die Konsumenten finanzieren müssten.

Verbesserungen

Diesem Szenario steht die Tatsache gegenüber, dass gerade im WEB-Verfahren, dem Anlassfall für die Einrichtung der österreichischen Arbeitsgruppe, mit altbewährten Mitteln Rechtsfriede geschaffen wurde - und das ganz ohne Gruppenklage. Vielleicht wird dieses Musterbeispiel den Gesetzgeber davon abhalten, einfach fremde Rechtseinrichtungen zu übernehmen.

Stattdessen könnte er darüber nachdenken, wie die ZPO an die Bedürfnisse von Massenverfahren angepasst werden kann - etwa durch eine dem Prozessaufwand angemessene Festlegung des Streitwerts, eine Verlängerung der viel zu kurzen Rechtsmittelfristen, den Erlag einer Prozesskostensicherheit für die Beklagte und die Einführung des elektronischen Akts. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.12.2005)