Foto: Hersteller
Dem Designer-Duo Walking Chair ist das mit ihrem BottleBoy passiert. Im Senegal bekam der Plastikring plötzlich Mission und Verantwortung.

******

In einer Quiz-Sendung unter dem Motto "Was ist das eigentlich?" würden die Plastikringe eine wirklich glänzende Figur abgeben. Rund, ein Loch in der Mitte, bunt? Mit Sicherheit würde niemand auf Anhieb den eigentlichen Zweck dieser Dinger erraten. Um die Sache abzukürzen, sei das Geheimnis gleich vorneweg verraten: Das Teil heißt "BottleBoy" und wurde 2002 als Recyclingprodukt vom Designstudio Walking Chair entworfen. Tatsächlich ist der Ring die Verankerung für einen Wandhaken und damit Grundelement für ein Garderobensystem. Das Besondere daran: Die Haken muss sich jeder selbst aus Plastikflaschen präparieren.

Das schaut gut aus, wenn sie etwa mit Zitronennetzen, Zuckerlpapier oder Zellophan befüllt werden, durch die Hitze aus einem Haarföhn in die richtige Form gebracht und an den "BottleBoy" geschraubt werden, denn dieser hat innen ein Gewinde, das auf alle PET-Flaschen passt. "Mir gefiel die Vorstellung, dass Menschen unsere Objekte selbst fertig entwickeln", erläutert Walking-Chair-Mastermind Karl Emilio Pircher ein Konzept, das auf den Designmessen in London und Paris sehr gut verstanden wurde. Der "BottleBoy" landete im renommierten Pariser Designladen Colette in der Rue Saint-Honoré, wurde dort für eine Messe in den Tuilerien entdeckt - und weil Pircher und sein Partner Fidel Peugeot gern großzügig denken, komponierten sie einen Song mitsamt "BottleBoy-Show", ein Happening, das dem Publikum vor Augen führt, wie wandelbar leere Plastikflaschen doch sein können.

Kunst der Wiederverwertung

Als Walking Chair zwei Jahre später in Wien ihr neues Atelier, ein Gassenlokal in der Rasumofskygasse im dritten Bezirk bezogen, entschlossen sich Pircher und Peugeot, ihre "BottleBoy"-Show zur Eröffnungsfeier wieder einmal aufleben zu lassen. Auf diese Weise lernte auch Amadou Sow, ein um die Ecke arbeitender senegalesischer Künstler, den bunten Plastikring kennen. Im Senegal, wo die "l'art de récuperation", also die Kunst der Wiederverwertung, einst von Kindern, die Spielzeug aus leeren Blechdosen bastelten, begonnen worden ist und sich über die Jahre zum eigenständigen Industriezweig entwickelt hat, könnte der "BottleBoy", so dachte Sow, doch ein ganz neuer Anstoß sein.

Mit diesem vagen Gedanken und 100 Plastikringen im Gepäck fuhr er nach Dakar und präsentierte den "BottleBoy" Absolventen der dortigen Kunsthochschule, die sich auf die Dak-Art, die Biennale afrikanischer Kunst, vorbereiteten. Sie waren begeistert, verstanden die Idee sofort, und zusammen mit Sow formulierten sie den ideellen Überbau: Nur ganz wenige Menschen können sich sauberes Wasser aus Plastikflaschen im Senegal leisten, nicht nur der Inhalt, auch die Hülle ist wertvoll, und Verantwortung gegenüber der Umwelt wird auch in Afrika gerade ein Thema.

"BottleBoy Dakar"

Als Kirène, der größte senegalesische Wasserabfüller, als Partner in das Kunstprojekt einstieg, nahm die Idee Gestalt an. Ein zehnköpfiges Künstlerkollektiv mit dem Namen "BottleBoy Dakar"wurde gegründet, Walking Chair spendete 1000 Plastikringe, Kirène die Flaschen, und innerhalb von drei Monaten hatten die senegalesischen Künstler daraus Regalsysteme, Lampen, Spiegelhalterungen, Gewürzborde, Windspiele und Schmuck fabriziert und zeigten sie am Hauptplatz von Dakar.

"Kunst hat im Senegal einen vollkommen anderen Stellenwert: Sie leistet Aufklärungsarbeit, hat Vorbildwirkung und nicht zuletzt auch die Funktion, Menschen zu erziehen", erläutert Sow und liefert damit auch gleich die Erklärung dafür, warum das Bildungsministerium in Dakar am Künstlerkollektiv BottleBoy und seinen zukünftigen Projekten interessiert ist. Wasser, Umwelt und Kreativität sollen in Schulen thematisiert werden, die bunten Plastikringe aus Österreich sollen zum Vehikel dafür werden. "Der BottleBoy hat offensichtlich Eigendynamik entwickelt", sagt Peugeot lachend. Das gefällt den Walking Chairs. 2006 will man wieder zur Biennale nach Dakar reisen, die österreichisch-senegalesische Freundschaft soll weiter wachsen.
(Karin Pollack/Der Standard/rondo/09/12/2005)