Vizekanzler Hubert Gorbach: "Jetzt haben mich alle einmal beschimpft, jetzt sollen sie die Unterlagen studieren und nachdenken."

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STANDARD: Sie werden jetzt als Geisterfahrer und als Minister Bleifuß tituliert. Wie geht es Ihnen damit?

Gorbach: Eigentlich nicht gut. Aber das zeigt nur die Verlogenheit der Berichterstattung und der Diskussion auf. In Wahrheit erlebe ich eine ganz andere Diskussion. Ich werde von vielen Leuten angesprochen, die für Tempo 160 sind. Ich darf schon darauf aufmerksam machen, dass mehr als 40 Prozent der Österreicher auf dem hochrangigen Straßennetz permanent zu schnell fahren. Auf besagter Teststrecke in Kärnten haben wir knapp 70 Prozent, die schneller fahren als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Es werden Emotionen geschürt. Dass ich als Bleifuß oder Geisterfahrer bezeichnet werde, zeigt deutlich, dass es nicht mehr um die Sache geht. Man will mich einfach beschädigen. Dabei bin ich ein relativ disziplinierter Fahrer.

STANDARD: Umweltminister Josef Pröll hat angekündigt, er würde im Ministerrat sein Veto einlegen, um Tempo 160 zu verhindern. Kränkt Sie das?

Gorbach: Nein. Minister Pröll kann weiterhin gut schlafen. Er wird nicht in die Verlegenheit kommen, ein Veto erheben zu müssen. Ich brauche den Ministerrat gar nicht.

STANDARD: Warum stellt sich Pröll dann gegen Sie?

Gorbach: Man muss schon sehen, dass er sehr unter Druck steht. Man hat ihm das Büro zugenagelt. Für mich wäre das auch furchtbar, wenn ich nicht zu meinem Arbeitsplatz käme. Dann würde ich vielleicht überreagieren.

STANDARD: Die Versicherungen haben angedroht, die Prämien zu erhöhen, wenn flächendeckend Tempo 160 kommt.

Gorbach: Von flächendeckend war nie die Rede. Nur dort, wo es die Sicherheit zulässt und wir das mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen regulieren können. Diese Anlagen haben wir noch nicht überall.

STANDARD: Wie viele Strecken kommen überhaupt infrage?

Gorbach: Geeignet sind aus jetziger Sicht zwölf Strecken. Da können aber welche dazu kommen, es können ja Strecken ausgebaut werden. Ich werde aber über niemanden hinwegfahren. Allerdings muss ich schon dazu sagen, dass ich der bundesweit zuständige Verkehrsminister bin. Diese Verkehrsbeeinflussungsanlage funktioniert so, dass tausende Sensoren die Bedingungen wie Wetter oder Fahrbahnbeschaffenheit aufzeichnen, andere Instrumente messen die Verkehrsdichte. Ein Computer errechnet dann die optimale Geschwindigkeit, vor allem was die Sicherheit, aber auch was die Geschwindigkeit betrifft. Die Verkehrssicherheit würde dadurch erhöht werden. Es ist ja auch ein Komfort, wenn man 140 fahren kann, wenn die Umstände passen. Die Geschwindigkeit kann natürlich auch reduziert werden.

STANDARD: Ist das nicht enorm teuer?

Gorbach: Das Argument mit den Kosten, das vergessen Sie gleich einmal. Section Control und Verkehrsbeeinflussungsanlagen werden österreichweit 350 Millionen Euro kosten. Aber diese Anlagen kommen ja nicht wegen Tempo 160, von denen rede ich schon jahrelang. Sie werden ohnehin installiert. Wir müssen den Verkehr besser managen. Dazu gehört die Verwendung der Verkehrstelematik, die erste Stufe sind die Verkehrsbeeinflussungsanlagen. Damit kann ich zehn Prozent mehr Verkehr auf der vorhandenen Infrastruktur abwickeln und zwar sicherer. Es gibt 30 Pro^zent weniger Unfälle.

STANDARD: Wenn 160 erlaubt ist, dann fahren alle 180.

Gorbach: Es gibt ja eine begleitende Kontrolle. 160 müssen 160 bleiben. Es gibt dann keine Toleranzgrenze.

STANDARD: Das andere Argument gegen 160 ist die erhöhte Feinstaubbelastung.

Gorbach: Das ist auch so eine verlogene Diskussion. Ein minimaler Anteil des Gesamtfeinstaubs kommt vom Verkehr. Wenn jemand von 130 auf 100 km/h reduzieren will, dann weiß ich, er hat etwas gegen Autofahrer oder man hat ihm den Führerschein entzogen. Das ist doch eine Alibiaktion. 0,9 Prozent des Feinstaubgesamtaufkommens kommen von den Autoabgasen. Und es wird schon schneller gefahren als erlaubt. Außerdem glaube ich nicht, dass alle die Möglichkeit von 160 ausnützen werden. Die Geschwindigkeit wird gegebenenfalls auch reduziert werden - wenn es regnet, nebelig ist oder ein Unfall passiert.

STANDARD: Die jetzige Teststrecke ist in Kärnten. Offensichtlich sind Sie den Weg des geringsten Widerstands gegangen, weil Ihnen Parteikollege Jörg Haider weniger Schwierigkeiten macht als andere Landeshauptleute.

Gorbach: Ich habe die Arbeitsgruppe beauftragt, mir jene Teststrecken vorzulegen, die geeignet wären. Dann habe ich gesehen, dass eine Kärntner Strecke besonders geeignet ist. Natürlich gehe ich dorthin, wo ich auch politische Unterstützung habe.

STANDARD: Haben Sie diese Unterstützung auch in der ÖVP?

Gorbach: Der Bundeskanzler hat überhaupt nichts gegen diesen Test, er steht dem positiv neutral gegenüber. Und mein Ansprechpartner in der ÖVP ist der Bundeskanzler. Die SPÖ hat auch schon einmal was anderes gesagt, die waren für Tempo 150. Ich bin ja kein Rowdy. Verkehrssicherheit ist das höchste Gebot. Dass dieses Thema kontrovers diskutiert werden wird, war mir klar. Ich bin aber kein Minister, der nur verwaltet, der es dahintröpfeln lässt und nur schaut, dass er gut über die Runden kommt. Ich will bewegen. Ich will nicht statisch sein, sondern dynamisch. Das erwarte ich von jedem Politiker. Das macht vielleicht den Unterschied. Jetzt haben mich einmal alle beschimpft, jetzt sollen sie die Unterlagen studieren und nachdenken. (DER STANDARD-Printausgabe 07.12.2005)