Männlichkeitskonzept
Vor allem Frauen und Kinder würden häufig Opfer von familiärer Gewalt. Die Ursache dafür liege in der traditionellen Sozialisation einer nach wie vor patriarchalisch geprägten Gesellschaft, so Remele, der das Seminar gemeinsam mit Andrea Lehner-Hartmann von der Universität Wien abhält. Die Genderforschung liefere eine plausible Erklärung: "Physische Gewalt passt in das traditionelle Konzept von Männlichkeit. Die Gewalt gegenüber Frauen und Kindern diene dazu - wenn sonst nichts mehr geht - die patriarchale Ordnung aufrecht zu erhalten," erläutert Lehner-Hartmann.
Informationsnotstand
Die gesamte Problematik werde nach Remeles Ansicht generell zu wenig öffentlich thematisiert: "Die Menschen haben meist keine Ahnung, wie sie Gewalt-Opfern weiterhelfen und wohin sie diese vermitteln können, oder welche Einrichtungen sie benachrichtigen sollten." Das Grazer Seminar informiert auch darüber, wo Täter Beratung und aktive Unterstützung finden. Weiters geben Vertreter der Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt in Graz und der Männerberatung Steiermark Einblick in ihre Arbeit.
Das "Kreuz tragen"
Für beide TheologInnen spielt natürlich auch die Haltung von Religion und Kirchen eine Rolle: "Es stellt sich die Frage, wie Religionsgemeinschaften den betroffenen Frauen helfen und sie unterstützen können, statt zum Hindernis zu werden", so Remele. Noch heute komme es vor, dass Kirchenvertreter den Opfern auftragen, sie sollten "ihr Kreuz tragen", sich fügen und dulden. Ganz anders habe die US-Bischofskonferenz schon im Jahr 2002 reagiert: Für sie rechtfertigt Gewalt eine Scheidung und selbst eine kirchliche Annullierung der Ehe.