Moderationin Silvia Fuhrmann, Bundesobfrau JVP.

Foto: Gregor Zeitler

Erdem Tunakan, DJ, Musiker und Produzent.

Foto: Gregor Zeitler

Reinhard Zuba, Geschäftsführer des Österreichischen Instituts für Jugendforschung.

Foto: Gregor Zeitler

Michel Cullin, Professor für Politikwissenschaft, Diplomatische Akademie.

Foto: Gregor Zeitler

Michaela Pfeiffenberger, Stellvertretende Polizeipräsidentin von Wien.

Foto: Gregor Zeitler
"Aus den Schlagzeilen sind die Krawalle in Frankreich weitgehend verschwunden, es brennt nicht mehr, aber ich denke es glost", eröffnet Günther Burkert-Dottolo, Direktor der Politischen Akademie, die Pressekonferenz der ÖVP "Revolte der Jugend" unter der Moderation von Silvia Fuhrmann. Die Diskussion am Podium drehte sich hauptsächlich um die Frage, ob denn eine solche Revolte, wie sie in den Banlieues in Frankreich passiert, auch in Österreich passieren könne. Fuhrmann will sich zu dieser Frage nicht festlegen: "Ich darf vor der Schlussfolgerung warnen, bei uns kann es nicht so weit kommen, aber auch vor der Schlussfolgerung, bei uns kann es auch so weit kommen."

Beschimpfungen und Perspektivenlosigkeit

Für Michel Cullin, Professor für Politikwissenschaft, Diplomatische Akademie, sind die "Sprüche des französischen Innenministers ein entscheidendes Moment" in der Entstehung der Gewalt in Frankreich. Die Bezeichnung "racailles" (dt. Gesindel), die Innenminister Sarkozy für die Jugendlichen gefunden hat, habe die Situation seiner Meinung nach verschärft. Es habe zwar schon vorher brennende Autos gegeben, aber die Gewalt habe sich in Grenzen gehalten.

Der Hauptgrund für die Ausschreitungen, über den sich alle am Podium einig sind, ist die Perspektivenlosigkeit der betroffenen Jugendlichen. Ein Problem laut Cullin sei auch, dass sich viele der Jugendlichen auch als Franzosen fühlen und plötzlich sehen, dass die französische Gesellschaft keine Gesellschaft der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sei. "Die Religion als Faktor würde ich vollkommen ausschließen", so Cullin. In manchen Moscheen hätte man den Frieden gepredigt.

"Fun" oder politisch motivierter Aufschrei?

"Ich glaube, dass viele mitgemacht haben, weil sie "Fun" haben wollten", erklärt Erdem Tunakan, DJ, Musiker und Produzent seine Sicht der Beweggründe der jugendlichen Gewalttäter. Natürlich hätten sich Hass und Frustration aufgestaut, aber er glaube, dass auch viele Jugendliche dabei gewesen seien, die nicht aus politischer Motivation gehandelt hätten.

Fernes Gewaltszenario für Österreich

Einigkeit herrscht unter den Diskutanten darüber, dass vergleichbare Geschehnisse in Österreich beziehungsweise in Wien nicht möglich wären. Auf die Frage von Fuhrmann, ob junge Türken in Wien zufrieden sind, antwortet Tunakan: "Sie haben es sehr viel leichter als in Paris, Wien und Paris zu vergleichen ist fast unmöglich." Die meisten hätten einen Job, egal ob das hinter der Kasse beim Billa sei oder wo anders.

Auch Michaela Pfeiffenberger, Stellvertretende Polizeipräsidentin von Wien kann keine Gefahr einer Jugendrevolte in Österreich erkennen: "Es ist sehr fern, Ghettos in Wien oder in Österreich gibt es nicht." Auch gäbe es keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Gewalttaten in Wien und der Anzahl ausländischer Jugendlicher. So sage beispielsweise die Anzahl der ausländischen Familien, die in Rudolfsheim-Fünfhaus wohnen, nichts über die Höhe der Gewalttaten.

Österreichische versus französische Polizei

"Nicht reinknüppeln, zuerst wird geredet", beschreibt Pfeiffenberger die Vorgehensweise der österreichischen Polizei, die im Fall der Fälle immer auf Deeskalation aus sei. "Dort gehen wir nicht hin", diese Einstellung gäbe es bei der Polizei in Österreich nicht und wenn, dann nur in Ansätzen, kommentiert Pfeiffenberger die Handlungsweise der französischen Polizei. In Österreich gäbe es eine gute Zusammenarbeit mit den Sozialarbeitern.

Jugend und Gewalt in Österreich

Für Reinhard Zuba, Geschäftsführer des Österreichischen Instituts für Jugendforschung, ist das soziale Netzwerk in Österreich verglichen mit Frankreich besser. Laut einer Studie des Österreichischen Instituts für Jugendforschung sagen über achtzig Prozent der Jugendlichen in Österreich, sie versuchen gewalttätigen Handlungen aus dem Weg zu gehen. Trotzdem sind aber 58 Prozent der männlichen Jugendlichen der Meinung, dass Gespräche in manchen Situationen sinnlos sind. Hier müsse man auch differenzieren zwischen Burschen und Mädchen, so Zuba. Die Akzeptanz für Gewalt sei bei den Burschen ausgeprägter.

Laut einer zweiten Studie ist auch ein Drittel der österreichischen Jugendlichen der Meinung, sie hätten keine Perspektive. Als Grund gibt Zuba an, dass die Jugendlichen bei der Arbeitssuche heute viel mehr auf sich allein gestellt seien. Wenn Zuba nach Frankreich blickt, sieht er das Gesetz des Handelns nach dem Motto "Jetzt kann ich einmal etwas tun" als Motivation der französischen Jugendlichen gewalttätig zu werden. (mat)