Österreichische Blicke nach Russlands Nordwesten: Ernst Strasser, Richard Schenz, Präsidentenvertreter Ilja Klebanow (v. li.).

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Wien - Für Russland sei Österreich eines jener "Schlüsselländer", mit denen man enger zusammenarbeiten wolle, sagte Ilja Klebanow, Präsidentenbevollmächtigter der russischen Nordwestregion, am Donnerstag vor der Presse in der Wirtschaftskammer Österreich. Da Moskau auch seine Beziehungen zur Europäischen Union vertiefen will, setzt man daher große Erwartungen in die österreichische EU-Präsidentschaft und insgesamt in das Jahr 2006, weil die Österreicher im Vorsitz ab Juli von den Finnen abgelöst werden, mit denen man ebenfalls ein freundschaftliches Verhältnis pflegt.

Das russische Interesse an Österreich zeigte sich an der massiven Präsenz von Wirtschaftsleuten beim gestrigen Russland-Tag der Außenwirtschaft Österreich: Rund 90 russische Betriebe waren vertreten, insgesamt 250 Mitglieder zählte die Delegation. Aus Österreich hatten sich 220 Firmen angemeldet, deren Vertreter mit den Russen 350 Einzelgespräche führten. WKÖ-Vizepräsident Richard Schenz wies auf das große Potenzial in der Zusammenarbeit hin. Bisher hätten österreichische Firmen 1,3 Milliarden Euro in Russland investiert.

Freundschaftsgesellschaft

Konkrete Impulse kamen vom Präsidenten der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft, Ernst Strasser. Der ehemalige Innenminister nennt den österreichischen EU-Vorsitz "eine Riesenchance" und schlägt einerseits einen institutionalisierten Dialog vor, für den man eine "offiziöse Andockstation" schaffen solle, vertreten durch eine Persönlichkeit, die das Vertrauen beider Seiten genieße. Der Dialog solle in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Modernisierung der Verwaltung sowie Ausbildung und Wissenschaft geführt werden. Andererseits will Strasser das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Russland, das 2007 ausläuft, durch ein konkreter ausformuliertes Assoziierungsabkommen ablösen. Als direkte Empfehlung an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel für dessen heutiges Treffen mit Präsident Wladimir Putin in Moskau wollte Strasser seine Vorschläge nicht verstanden wissen.

Klebanow meinte seinerseits, ob es ein Assoziierungsabkommen geben werde, sei gar nicht so wichtig. Es komme auf die Qualität der Beziehungen an. Für die Koordinierung des von Strasser angeregten Dialogs schlägt er ein russisches Regierungsmitglied vor.

Zur Frage, ob die Yukos-Affäre (Zerschlagung des Ölkonzerns, Verurteilung des ehemaligen Chefs Michail Chodorkowski) nicht potenzielle Investoren verunsichern könnte, meinte Klebanow "als Privatperson", es sei übertrieben, von einer Verunsicherung zu sprechen. "Die Marktwirtschaft hat Regeln, dazu gehört auch Steuerzahlen. Yukos wollte grundsätzlich keine Steuern zahlen. Gott sei Dank sind solche Betriebe in Russland heute immer seltener." (Josef Kirchengast, DER STANDAD, Print-Ausgabe, 2.12.2005)