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In der Stadt Sharqiya weigern Polizisten Wählern den Zutritt zum Wahllokal.

Foto: EPA/STRINGER
Kairo - Die ägyptische Polizei hat am Donnerstag einen Oppositionellen erschossen und dutzende Menschen verletzt. Die Sicherheitskräfte schossen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen das Feuer auf eine Menschenmenge, die vor einem Wahllokal in Baltim nördlich Kairos wartete. Gomaa Saad el-Ziftawi (27), ein Unterstützer des linken Politikers Hamdin Sabahi, wurde von Gewehrschüssen und Tränengaskapseln getroffen und starb noch am Ort.

Mit klarer Mehrheit für Mubarak-Partei zu rechnen

Der Vorfall überschattete die dritte und letzte Runde der Parlamentswahlen in Ägypten. Nach den beiden ersten Wahlgängen war zwar auch am Donnerstag erneut mit einer klaren Mehrheit für die Nationaldemokratische Partei des langjährigen Präsidenten Hosni Mubarak zu rechnen, die sich bisher 201 Mandate sichern konnte.

Trotz Einschüchterungen seitens der Sicherheitskräfte haben sich aber auch beim dritten Abschnitt der Wahlen Erfolge für Kandidaten der offiziell verbotenen, aber geduldeten Moslembruderschaft abgezeichnet. Die Zahl der Abgeordneten aus dem Lager der Moslembruderschaft hat sich im Vergleich zu der vergangenen Legislaturperiode mindestens verfünffacht: Bei den ersten beiden Teilwahlen entfielen bereits 76 Sitze auf diese Oppositionsbewegung, nachdem es im bisherigen Parlament nur 15 waren. 25 bisher gewählte Abgeordnete gehören anderen Oppositionsgruppen an oder sind parteilos.

Vorwürfe gegenüber der Polizei

Schon nach der zweiten Wahlrunde wurde der Polizei vorgeworfen, die Stimmabgabe vielerorts behindert zu haben. Gummigeschosse und Tränengas seien gegen friedliche Wähler eingesetzt worden, hieß es. Internationale Beobachter und Menschenrechtsgruppen warfen der Regierung vor, Unruhen geschürt zu haben, bei denen mindestens ein Mensch ums Leben kam.

Auch bei der dritten Runde nun gab es Berichte über Behinderungen: In der Ortschaft Sandub im Nil-Delta sperrten bewaffnete Polizisten am Donnerstag das örtliche Wahllokal ab, um die Einwohner an der Abstimmung zu hindern. Ungestört verlief dagegen die Wahl in der nahe davon gelegenen Stadt Sagasig. Bei der Abstimmung vom Donnerstag wurde über die letzten 136 der insgesamt 454 Sitze in der Kairoer Volksversammlung entschieden.

In der nahe gelegenen Ortschaft Bussat im Nil-Delta setzte die Polizei Tränengas gegen die Einwohner ein, die zur Wahl gehen wollten. Dort wurden einem unabhängigen Kandidaten gute Chancen eingeräumt. Auch in Tahta rund 450 Kilometer südlich von Kairo wurden Wähler nach eigenen Angaben von der Polizei massiv eingeschüchtert. Rund 500 Polizisten säumten dort den Weg zum Stimmlokal. Auf die Frage nach dem Grund, sagte ein Beamter, man befürchte gewaltsame Auseinandersetzungen unter den Anhängern der konkurrierenden Kandidaten.

Wahlen in neun Provinzen

Bei den Wahlen in neun Provinzen bewarben sich fast 1800 Kandidaten um die noch zu vergebenden 136 der insgesamt 454 Sitze im Parlament. Die wegen ihrer karitativen Arbeit besonders in armen Gebieten Ägyptens populäre Organisation kratzt gehörig am Machtmonopol der regierenden Nationaldemokratischen Partei von Präsident Hosni Mubarak. Die Machtfrage stellt sich für die Muslimbruderschaft nicht im Jahr 2005, sondern eher für die Zeit nach Mubarak.

Der 77-jährige Politiker ist seit 1981 Staatspräsident. Bei der Präsidentschaftswahl im September, zu der auf Druck der USA erstmals mehrere Kandidaten antraten, wurde Mubarak nach offiziellen Angaben mit 88 Prozent der Stimmen für eine fünfte Amtszeit gewählt. Allerdings beteiligte sich kaum ein Viertel der Wahlberechtigten an der von Berichten über Manipulationen überschatteten Wahl. (Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2005/AP/red)