Wien - Wifo-Chef Karl Aiginger sieht die für heute erwartete Leitzinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) skeptisch.

"Ich habe eigentlich mehr Sorge um das Wachstum und die Beschäftigung", meinte Aiginger am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal" des ORF-Radio zur Hauptaufgabe der EZB, die Inflation so früh wie möglich als Gefahr zu erkennen. Der niedrige Zinssatz sei hilfreich gewesen, ein etwas höheres Wachstum zustande zu bringen. Und das Wachstum in Europa habe sich ja auch im 3. Quartal leicht erholt und sei besser gewesen als erwartet, "und das sollte sich fortsetzen".

Soweit zu gehen, die EZB-Zinsanhebung als "kontraproduktiv" zu sehen, wollte der Wifo-Chef aber nicht: "Ich möchte das nicht so stark sagen." Und weiter: "Ich glaube, wenn man ein Wirtschaftswachstum verstärken muss, braucht man niedrige Zinssätze oder andere Maßnahmen, die das Wirtschaftswachstum stärken. Ich sehe, wenn die Wirtschaft zu wachsen beginnt, dass es Produktivitätssteigerungen geben kann, dass es neue Firmengründungen geben kann und nicht unbedingt gleich die Inflationsangst.

Inflation eigentlich unter zwei Prozent

Bereinigt um die Erdölpreise wäre die Inflationsrate in der Eurozone eigentlich noch unter der 2-Prozent-Grenze - jenem Ziel, das sich die EZB selbst gestellt habe als Grenze, unter der sie die Inflation halten wolle, so Aiginger.

Aber die Euro-Hüter hätten die Entscheidung getroffen, die Inflation nicht zu bereinigen. Und aus dieser eigenen Logik sei der Schritt zu erwarten gewesen, meinte der Wifo-Chef, angesprochen auf den Zeitpunkt der Leitzinsanhebung.

Eine Zinsanhebung um einen Viertelprozentpunkt stelle für die Konjunktur bei dem derzeitigen Zinssatz an sich keine Bedrohung dar, da es sich noch immer um einen sehr niedrigen Realzins handle, betont Aiginger, gibt aber zu bedenken: "Andererseits ist es wiederum eine kleine Verunsicherung in einer Phase, wo die Konjunktur noch nicht sehr stabil ist und man nicht weiß, ob es nicht wiederum einen anderen Schock gibt, der sie lähmt."

In diesem Sinne sei die Zinsanhebung kein Signal, das die Konjunktur stärke, sondern eine Entscheidung, der Inflation - "bevor sie noch richtig da ist" - quasi den Boden unter den Füßen zu entziehen. (APA)