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Ángel Gurría hat einen ausgezeichneten Ruf, seit er seinen Staat aus der schlimmsten ökonomischen Krise seiner Geschichte heraus führte.

Foto: Reuters/Aguilar
Mexiko-Stadt/Paris - Der frühere mexikanische Finanz- und Außenminister Angel Gurria ist zum neuen Chef der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) berufen worden. Das gab die Organisation am Mittwoch in Paris bekannt. Der 55-Jährige, der mit vollständigen Namen Jose Angel Gurria Trevino heißt, wird ab Juni 2006 der erste OECD-Chef aus einem Schwellenland sein.

Er hatte sich in der letzten Auswahlrunde gegen Polens vor kurzem zurückgetretenen Regierungschef Marek Belka durchgesetzt. Die OECD beschäftigt rund 2.000 Volkswirte, Juristen, andere Experten und Verwaltungspersonal.

Erstmals Chef aus Schwellenland

Ángel Gurría kommt aus Mexiko und hat einen ausgezeichneten Ruf, seit er seinen Staat aus der schlimmsten ökonomischen Krise seiner Geschichte heraus führte. "Er ist ein großer Finanzfachmann", sagt der mexikanische Volkswirtschaftsprofessor Miguel Gonzalez Ibarra. "1994 wurde er gerufen, um unsere Probleme zu lösen. Das war eines seiner größten Verdienste. Es hätte ansonsten eine große Krise gegeben."

Seinerzeit sollte Mexiko Schulden in Höhe von 28 Mrd. Dollar (derzeit fast 24 Mrd. Euro) zurückzahlen, sah sich dazu jedoch nicht in der Lage. Als Reaktion auf die Finanzschwäche fiel die Landeswährung Peso dramatisch: Innerhalb von drei Tagen verteuerte sich der Dollar von 3,50 auf sechs Pesos. Parallel dazu brachen die Börsenkurse ein.

Fiskalische Rettung des Landes

Als Außenminister trieb Gurría mit Hilfe des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton die fiskalische Rettung seines Landes voran. Dabei konnte er auch auf die Unterstützung der internationalen Finanzinstitutionen bauen, die ihm aus Angst vor einer Ausweitung der Krise über Mexiko hinaus zur Seite sprangen. Er entwarf ein Konzept zur "finanziellen Entstörung", das Mexiko langfristige fiskalische Stabilität sicherte. Darüber hinaus machte sich Gurría als Unterhändler in Freihandelsgesprächen mit den USA, Kanada und der EU verdient.

Zuletzt war der neue OECD-Chef in verschiedenen staatlichen und privaten Finanzinstitutionen Mexikos tätig. Bekannt wurde der mit zahlreichen Auszeichnungen bedachte Volkswirt zudem durch Auftritte beim jährlichen Weltwirtschaftsforum in Davos. Von 1988 bis 1994 war er Mexikos Vize-Finanzminister, danach bis 1998 Außenminister und schließlich bis zum Jahr 2000 Finanzminister seines Landes.

Gurria gehört der Partei der institutionellen Revolution (PRI) an, die Mexiko von 1929 bis 2000 regierte, war jedoch nie ein glühender Aktivist. Nach der Machtübernahme durch die konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) des amtierenden Präsidenten Vicente Fox verließ er die Regierung.

Erforderliche Reformen anpacken

In der Pariser OECD-Zentrale mit ihren 2000 Beschäftigten ist Gurría wohl bekannt: 1994 hatte er die Verhandlungen zum OECD-Beitritt Mexikos betrieben, 1999 lud er als Vorsitzender des Ministerratstreffens der Organisation erstmals Vertreter von Entwicklungsländern ein. Nach seinen Amtsantritt im kommenden Juni will Gurría dringend erforderliche Reformen anpacken. Er plädierte dafür, die OECD zu einem "Globalisierungssekretariat" auszubauen. Die Organisation aus derzeit 30 industrialisierten Staaten solle "viel mehr Einfluss und Bedeutung" bekommen. Kleinere Staaten sollen mehr Gehör bekommen; zugleich will der Mexikaner das Prinzip der Konsensentscheidungen auf den Prüfstand stellen.

Seit die OECD als Nachfolgeorganisation der für den Marshall-Plan gegründeten OEEC gegründet wurde, hatte sie erst vier Chefs. Die ersten drei stammten aus Europa: der Däne Thorkil Kristensen, der Niederländer Emile Van Lennep und der Franzose Jean-Claude Paye. Der seit 1996 und noch bis Ende Mai 2006 amtierende Generalsekretär Donald Johnston kommt aus Kanada. Im Rennen um den Chefposten setzte sich Gurría nun in der letzten Auswahlrunde gegen den Polen Marek Belka durch, der unter anderem von Deutschland unterstützt worden war. (APA)