Nach aktuellen Schätzungen waren bereits Mitte der Siebzigerjahre 300.000 Menschen mit dem HI-Virus infiziert. 30 Jahre später sind mehrere Euro-Milliarden in die Suche nach einem Heilmittel gepumpt worden - bisher allerdings vergeblich.

Der Aids-Erreger ist für herkömmliche Konzepte zu raffiniert. Deshalb mahnen Experten auch angesichts der jüngsten Erfolgsmeldung aus den USA zu Vorsicht - schließlich gab es schon öfter verfrühten Jubel in der Aids-Historie: 1981 werden Beamte der amerikanische Centers for Disease Control erstmals aufmerksam: Junge Menschen sterben an Krankheiten, die nur bei extrem geschwächten Patienten auftreten. Journalisten schreiben bald von der "Schwulenpest", Forscher einigen sich auf den Namen Aids für Aquired Immune Deficiency Syndrome (Erworbenes Immunschwäche-Syndorm). Als das Humane Immun- defiency Virus (HIV) als Krankheitserreger dingfest gemachtwird, verkündet die damalige US-Gesundheitsministerin Margaret Heckler: "Ein Impfstoff gegen Aids wird in zwei Jahren für Tests bereit sein." Und: "Wieder eine Krankheit, die durch Ausdauer, Durchsetzungskraft und schieres Genie besiegt wurde." Das war 1984, doch auf den Impfstoff wartet die Welt immer noch.

Wie sich herausstellte, befallen und zerstören HI-Viren ausgerechnet das körpereigene Immunsystem. Sie dringen in Zellen ein, die das Protein CD4 auf ihrer Oberfläche tragen - das sind meist Helferzellen, zuständig für die Koordination der Abwehrkräfte. HIV schleust sein genetisches Material in das der befallenen T-Zelle ein; die beginnt daraufhin mit der Vermehrung des Erregers und stirbt schließlich ab.

1996 glaubt sich der New Yorker Virologe David Ho unmittelbar vor dem Durchbruch: Mit einem Medikamentencocktail (HAART) kann er die Virusmenge im Körper seiner Patienten bis unter die Nachweisgrenze drücken. Ho prophezeit: Mit einer zweijährigen Pillenkur werde er seine Aids-Patienten heilen.

Doch auch er irrt: Ein Rest von HI-Viren bleibt trotz HAART latent im Körper zurück. Wird die Therapie abgebrochen, vermehren sich die Erreger wieder. Der Stand im Jahr 2005: Weltweit sind 40 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. HAART ist für die meisten Betroffenen in Entwicklungsländern so teuer, dass es für sie unerreichbar bleibt. Und in New York wurde kürzlich ein besonders aggressiver Virusstamm entdeckt, der innerhalb weniger Wochen zum Ausbruch von Aids führt.

Ein Hoffnungsschimmer kommt aus den USA. Der Forscher David Margolis kann mit dem Wirkstoff T-20 die Zahl der latenten Viren um 75 Prozent senken. "Das ist vielleicht ein Schritt in Richtung Heilung", schrieb Margolis im Augustund provozierte damit Empörung unter seinen vorsichtiger gewordenen Kollegen. (derk/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1. 12. 2005)