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"Cat scratches" getaufte Formationen auf der Titanoberfläche: Ob sie durch Winde oder andere Phänomene hervorgerufen wurden, ist vorerst noch unklar

Foto: Reuters/Prouser/NASA

Graz – Mit der Landung der Huygens-Sonde der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) im Jänner auf Titan haben Wissenschafter die ersten direkten Messungen der Atmosphäre und Oberflächenbeschaffenheit des größten der Saturnmonde erhalten. Mehrere Publikationen, die am Mittwoch in der Wissenschaftszeitschrift "Nature" als erste Zwischenergebnisse der Messungen der sechs Messinstrumente erschienen sind, zeichnen ein Bild des Mondes, das dem der Erde ähnelt – samt Wettersystem und geologischer Prozesse. An der Auswertung sind Wissenschafter des Instituts für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften maßgeblich beteiligt.

Durchaus mit der Erde vergleichbar sind Meteorologie, Geologie und Flussdynamik auf Titan. ESA-Missionsleiter Jean-Pierre Lebreton weiß aber auch von markanten Unterschieden zu berichten: "Anstatt flüssigem Wasser hat Titan flüssiges Methan, gefrorenes Wassereis ersetzt die Gesteine". Beim Landeanflug der Sonde wurden geologische Formationen, die ausgetrockneten Flussbetten und Abflusskanälen gleichen.

Methan-Regen auf überraschend weichen Boden

Die Forscher gehen davon aus, dass flüssiges Methan als Regen oder Eruption eines Vulkanes die Oberfläche des Titan periodisch überflutet und damit die Landschaft prägen könnte. Der Boden sei nicht ausreichend mit Methan gesättigt, so dass Bodennebel entstehen könnten.

"Der Boden ist sehr viel weicher, als wir gedacht haben", so Günter Kargl vom Grazer Institut für Weltraumforschung. Der Boden der Landeebene – Kargl fühlt sich dabei an ein "Flussdelta" erinnert – sei am ehesten mit "feuchtem Lehm oder Sand" vergleichbar, der wohl aus "Körnchen aus gefrorenem Wasser mit wahrscheinlich noch Verunreinigungen durch Kohlenwasserstoffen", besteht. Entsprechend seien die wie Gesteinsbrocken oder Schotter aussehenden Strukturen im Bereich des Landeplatzes aus gefrorenem Wasser.

Aerosol-Wolken

Irdischen Teleskopen verbirgt sich Titan durch eine dichte Atmosphäre. Die Sonde hat beim Abstieg Proben aus der Atmosphäre entnommen und mit dem Aerosol-Sammel- und Pyrolysegerät (ACP) an Bord analysiert. Es gibt klare Hinweise dafür gibt, dass die Wolken auf Titan aus Aerosolen (fein verteilte Flüssigkeiten oder Feststoffe in Gasen) bestehen, die Kohlenstoff und Stickstoff beinhalten. Komplexere Stoffe als Kohlendioxid waren nicht zu finden.

Die Messungen ergaben weiters, dass die Aerosol-Zusammensetzung zwischen 130 und 20 km Höhe homogen ist, was wiederum auf eine gemeinsame Quelle hinweist: Die Aerosole könnten im photochemischen Smog der Atmosphäre des Mondes entstehen und durch Regen und Winde auf die Titan-Oberfläche gelangen.

Die Staubteilchen und Tröpfchen wurden von dem französisch-österreichischen Instrument ACP (Aerosol Collector and Pyrolyser), von den Grazer Experten stammen Hard- und Software. Insgesamt stehe man bezüglich der Auswertung noch am Anfang, so Manfred Steller vom IWF. Generell können an Bord nur chemischen Bestandteile gemessen wurden, in aufwändigen Laborversuchen muss die ursprüngliche Zusammensetzung der Aerosole ermittelt werden.

Der Ursprung des Methans auf Titan -->

Methan nicht biologischen Ursprungs

Auf Grund des Anteils an Stickstoff- und Kohlenstoff sowie des einzigen gefundenen Edelgases Argon in der Titan-Atmosphäre können die Forscher schließen, dass Methan auf dem Saturn-Mond wohl nicht aus biologischer Aktivität stammt. Möglicherweise gibt es ein riesiges Kohlenstofflager im Inneren von Titan, durch Vulkanismus kommt das Material an die Oberfläche. Für Vulkanismus spricht auch das gefundene Argon.

Messungen zur Temperatur- und Druckverteilung und die elektrischen Vorgänge von der äußersten Titan-Atmosphäre bis zur Oberfläche haben gezeigt, dass es in der oberen Schicht wärmer ist als erwartet, wobei wärmer relativ zu sehen ist. Während in 500 km Höhe Temperaturen von minus 121 Grad Celsius vorherrschen und das absolute Minimum auf 44 km Höhe (minus 203 Grad Celsius am Übergang von der Troposphäre zur Stratosphäre) gemessen wurde, liegt die Oberflächentemperatur bei minus 179 Grad Celsius.

Messungen der Elektrizität

Das Institut für Weltraumforschung ist auch für das Experiment PWA (Permittivity, Wave and Altimetry Experiment) verantwortlich, das in der Titanatmosphäre elektrische Größen gemessen hat. So wurde u.a. eine Ionen-reiche Schicht zwischen 40 und 140 km Höhe mit erhöhter elektrischer Leitfähigkeit festgestellt. Diese Schicht ist für die Ausbreitung der von Blitzen ausgesandten Radiowellen sehr wichtig. "Signaturen von Blitzen" wurden gemessen, es stünde jedoch noch nicht fest, ob sie nicht möglicherweise durch die Huygens-Sonde selbst verursacht wurden, so Konrad Schwingenschuh vom IWF. Wahrscheinlich wurden diese Blitze am Südpol des Titan erzeugt.

Ein kleiner, beinahe unscheinbarer Sensor, der vom IWF gebaut wurde, hat auch die Töne aus einer bisher fremden Welt gemessen, die nach der geglückten "Huygens"-Mission erstmals auf der Erde gehört werden konnten. Donnergrollen hat man keines ausmachen können – das war auch nicht direkt vorgesehen. Vielmehr will man auf Grund der gemessenen Töne auf die Windgeschwindigkeit schließen, so Schwingenschuh.

Winde von Rotation abhängig

Die Windverhältnisse auf Titan wurden mit dem "Doppler Wind Experiment" anhand von Radioteleskop-Daten erhoben. Es zeigte sich, dass für gewöhnlich die Winde in jene Richtung blasen, in der der Mond rotiert. Zwischen 60 und 100 km Höhe gibt es eine Zone mit besonders schwachen Windbewegungen, wie man sie sonst nur an der Titan-Oberfläche misst und die in etwa der Gehgeschwindigkeit entsprechen.(APA)