Die Zahl derer, die eine Zeitung namens Furche für eine Agrarpostille halten, ist stark zurückgegangen, aber ausgestorben sie sind immer noch nicht völlig. Andererseits habe ich bei Reisen in allen Kontinenten derartig viele Menschen getroffen, die "Ich kenne Sie von der Furche" sagten, dass die Schlussfolgerung zwingend war: Jeder zweite Abonnent muss ein Globetrotter sein!

Furche-Vater Friedrich Funder hätte sich darüber gefreut: Nicht zuletzt die "Verkündigung des fundamentalen Gesetzes des Völkerfriedens" hat er im Gründungsmanifest vom 1. Dezember 1945 seinem Zeitungskind in die Wiege gelegt.

In dieser ersten Nummer begründete er auch die ungewöhnliche Namenswahl, für die es ein französisches Vorbild (Le Sillon) und eine irische Nachfolgerin (The Furrow) gab: Neuer Samen sollte ins barbarisch umgepflügte Erdreich fallen. Schon der Prophet Jeremia (4,3) hatte seinem Volk nach der Verschleppung nach Babylon Mut zu völligem Neubeginn gemacht: "Nehmt Neuland unter den Pflug und sät nicht in Dornen!"

Auch Funder, der christlichsoziale Sozifresser und stramme Antisemit von einst, fing nach Dachau und Flossenbürg noch einmal von ganz vorne an. Österreich-Patriotismus, Demokratie, Versöhnung der Bürgerkriegsfeinde, Ein 2. Spalte heit aller Christen sollten der frischen Furche entsprießen.

Auf ihre Weise hat die Zeitung wesentlich mitgeholfen, einem Kardinal König den Weg zu bereiten, der dann im Konzil einer der Wegbereiter einer neuen Weltkirche werden sollte. In der Jubiläumsnummer von 1965 konnte die Furche Religionsfreiheit, Ökumene, die Judenerklärung des Konzils, die polnisch-deutsche Aussöhnung feiern, Günther Nenning über "Katholik sein in der SPÖ" schreiben und Alexander Götz "Gedanken eines Nationalen" formulieren lassen.

Von der Unverzichtbarkeit unabhängiger Zeitungen und Gewerkschaften war die Rede, und noch einmal wurde an Funders Testament erinnert, der 1959 gestorben war: Eine "klare katholische Gesinnung" sollte so zur Diskussion gestellt werden, dass sie "auch von Andersdenkenden ohne Widerwillen aufgenommen" werden kann ...

Zugepflügt

Bemüht hat sich die Furche immer darum. Hingekriegt hat sie die Treue zum Vermächtnis nicht immer gleich gut. Nach der Glanzzeit der Gründerjahre mit Funder, Friedrich Heer und Kurt Skalnik (Chefredakteur bis 1969) wurde hart um den weiteren Kurs gerungen: Das Blatt sollte endlich ins "rechte" Fahrwasser gesteuert werden. Trautl Brandstaller klagte im Buch "Die zugepflügte Furche" darüber und konnte nur agrartechnisch ("Eine Furche kann man nicht zupflügen.") widerlegt werden. Die Kurskorrektur gelang aber auch ideologietechnisch nicht wirklich.

Das Blatt hat immer wieder auch stramme Konservative zu Einsicht und Toleranz verführt. Aus dem vorgesehenen Großinquisitor aus Deutschland ist nichts, aus seinem Wiener Ersatz kein reaktionärer Berserker geworden.

Als die Geldnot existenzbedrohend wurde, leitete 1976 Styria-Generaldirektor Hanns Sassmann mit neuen Führungskräften einen neuen Aufschwung ein. Der Styria dankt das Blatt heute auch finanzielle Unabhängigkeit. Bischöfe sind als Leser geschätzt, als Geldgeber nicht mehr nötig. Als weltoffenes katholisches Diskursforum für konfessions- und parteiübergreifende Sinnfragen ist die Furche in 60 Jahren unverzichtbar geworden. (DER STANDARD; Printausgabe, 1.12.2005)