Wien/Paris – Der Aufschwung der Weltwirtschaft wird sich nach Einschätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2006 weiter beschleunigen. Trotz des hohen Ölpreises sei auch die Inflation in den Industrieländern unter Kontrolle.

Der Europäischen Zentralbank, von der am Donnerstag eine Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte erwartet wird, empfiehlt die in Paris ansässige Organisation, mit einer Zinserhöhung noch bis zum Herbst 2006 zu warten, um den Konjunkturaufschwung nicht zu bremsen. "Man sollte eine Situation vermeiden, in der man eine Zinserhöhung hat, die sich später als verfrüht herausstellt", sagte OECD-Chefvolkswirt Jean-Philippe Cotis. Auch gebe es derzeit keine Inflationsgefahren.

IV unterstützt OECD-Position

Christian Helmenstein, Chefvolkswirt der Industriellenvereinigung (IV) in Wien, unterstützt die OECD-Position. "Für Länder wie Österreich und Deutschland wäre es besser zuzuwarten. Wir sehen einen beginnenden Aufschwung, der nicht abgewürgt werden darf."

Die – vergleichsweise optimistische – IV rechnet mit einem Wachstum für heuer von zwei Prozent und darüber. Die OECD ist nur wenig vorsichtiger in ihrer Einschätzung: Für heuer erwarten die Experten in Paris für Österreich ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent – wie auch das Wirtschaftsforschungsinstitut. 2006 werde das Bruttoinlandsprodukt in Österreich wieder um 2,1 Prozent und 2007 um 2,3 Prozent wachsen.

Die schlechte Nachricht: Die Arbeitslosigkeit werde heuer und 2006 auf 5,8 Prozent steigen (2004: 5,7), erst für 2007 wird dann ein leichter Rückgang der Arbeitslosenrate auf wieder 5,7 Prozent erwartet.

USA an der Spitze

An der Spitze der Weltkonjunktur stehen für die OECD einmal mehr die USA. Für die weltgrößte Volkswirtschaft erwartet die OECD 2006 ein Wachstum von 3,5 Prozent nach 3,6 Prozent in diesem Jahr. Für die Eurozone prognostizieren die Volkswirte 2006 eine Beschleunigung auf 2,1 Prozent von 1,4 Prozent 2005. "Alles in allem war das weltweite Wachstum außergewöhnlich kräftig, was die Preise am Ölmarkt und anderen Rohstoffmärkten angetrieben hat", heißt es in dem am Dienstag präsentierten Economic Outlook.

Ein weiterer Anstieg der Ölpreise könnte den günstigen Ausblick allerdings gefährden, warnt die OECD. Die Organisation erwartet derzeit aber einen Rückgang auf 51 Dollar (43,5 Euro) pro Fass (rund 159 Liter), bis Ende 2007 von rund 58 Dollar im vierten Quartal 2005. (Michael Bachner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.11.2005)