Karikatur: Oliver Schopf | www.oliverschopf.com

Pro: Land der Bauchträger - von Thomas Mayer

Unerträglich, diese Eva Glawischnig: zuerst im bauchfreien Top heiraten (Juli) und dann mit verklärtem Blick vorm Babygeschäft posieren, um Schwangerschaft samt Geburtstermin (Mai) illustriertenmäßig zu vermarkten! Wenn nicht alles täuscht, empören sich darüber 1.) vor allem Männer, 2.) politisch Orthodoxe von katholisch bis links-alternativ. Die einen tun so, als sei die demonstrative Schwangerschaft der "wunderschönen Marxistin" (© Andreas Khol) eine erotische Provokation. Die anderen stört die Vermengung von Politik und Privatem: zu viel Frauenpolitik im privaten Familienidyll, zu viel Privatgeschnurre im Politischen. Nation, bleib locker! Die Grüne hat bisher nicht ihr Baby, sondern sich selbst vermarktet - und das Thema Frau/Kind/Beruf/ Familienleben gepusht. Wer will das einer Spitzenpolitikerin verübeln, die andere Umstände schwerlich verbergen kann?

Gab oder gibt es ähnliche Empörung, als ein Bundeskanzler in Gummistiefeln ins Hochwasser watete (Klima) oder wenn der aktuelle (Schüssel) sich gerade bis zum Abwinken als Welt- Staatsmann selbst inszeniert, wenn der Präsident (Fischer) mit Schulkindern kneippen geht - und (fast) alle Medien brav apportieren? Na also. Deshalb ist es in einem in Familienfragen ziemlich konservativen Land legitim, wenn eine Politikerin stolz den Bauch zeigt, provoziert und glücklich strahlt.

Die Bier-Männer tun’s ja auch. Kindersegen aber ist lustiger. Ob Glawischnig sonst schlechten Geschmack und Medienumgang hat, ist was anderes. Man sollte eher darüber nachdenken, in welchem Zustand ein Land ist, in dem man mit schwangeren Politikerinnen auf Titelseiten Auflage machen kann. Das Baby wird Glawischnig davor hoffentlich bewahren. Erste Babyfotos wird es aber so oder so geben, garantiert, notfalls von Paparazzi.

Contra: Die Baby-Inszenierung von Eva Linsinger

In der Theorie ist Eva Glawischnig resistent gegen Verlockungen, aus ihrem Privatleben Seitenblickekapital zu schlagen: "Ich habe immer versucht, mein Privatleben aus der Öffentlichkeit herauszuhalten", versichert sie - ganz so, als ob die Bilder ihrer Bauchfrei- Hochzeit nicht existierten. In der Praxis widerlegt Glawischnig ihre Aussagen mit Verve: gibt die Freude über ihre Schwangerschaft in Societymagazinen bekannt und lässt sich mit träumerischen Blicken auf ein Nobelbabymodengeschäft abbilden.

Doch, das Private könnte durchaus politisch sein. Die junge Grüne beklagt etwa völlig zu Recht, dass der Beruf Politik auf das Modell älterer Männer (oder zumindest: Männer) zugeschnitten ist und junge Frauen (oder zumindest: Schwangerschaften) darin nicht vorgesehen sind. In Skandinavien hingegen sind Ministerinnen-Babys und Karenz-Väter selbstverständlich. All das könnte thematisiert werden.

Bloß: Für solche Politbotschaften braucht es keine Privatbekenntnisse über Liebe und Erziehungsstile und auch keine gestellten Fotos mit Babybüchern und Babygewand. Im Gegenteil: All dieser halbintime Schmus in News verunmöglicht einen sachlichen Umgang. Denn nichts davon ist auch nur ansatzweise politisch, sondern die pure Inszenierung des Privatlebens, garniert mit Baby-Instrumentalisierung in der Mediokratie.

Zugegeben: Glawischnig ist kein Einzelfall. Umweltminister Josef Pröll speckt öffentlich ab, von Finanzminister Karl-Heinz Grasser gar nicht zu reden. Nur: Das macht die Baby-Inszenierung um nichts besser. Es ist halt so viel bequemer, Schönbilder zu stellen als Sachfragen darzustellen. Danach kann man immer noch über Politikverdrossenheit oder Medien jammern - sobald das Seite-1-Foto gecheckt ist. (DER STANDARD, Print, 30.11.2005)