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Justizkommissar Franco Frattini: "Sollten die Anschuldigungen zutreffen, wäre ich gezwungen, ernste Konsequenzen zu ziehen"

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Berlin - EU-Justizkommissar Franco Frattini hat osteuropäischen Staaten mit schweren Konsequenzen gedroht, falls sie geheime US-Gefängnisse beherbergt haben. In diesem Fall müssten sich die betreffenden Staaten darauf gefasst machen, dass ihr Stimmrecht im Ministerrat ausgesetzt werde, sagte Frattini bei einer internationalen Sicherheitskonferenz am Montag in Berlin.

Keine Stellungnahme der US-Regierung

Zu den Berichten, wonach der Geheimdienst CIA gefangene Terrorverdächtige über europäische Flughäfen zu Verhören in Folterstaaten geflogen hat, habe die EU noch keine Stellungnahme der US-Regierung erhalten. "Sie haben uns gesagt: Gebt uns angemessen Zeit, die Situation zu prüfen", sagte Frattini. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte wegen der Berichte vor einer Radikalisierung der Islamisten auch in Deutschland.

Mazedonien: Deutscher durch CIA verschleppt

Auch Mazedonien muss sich nach den Worten Frattinis auf Konsequenzen gefasst machen, sollten sich Berichte über die Entführung von Islamisten durch den US-Geheimdienst CIA als wahr erweisen. In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft München im Fall des Deutschen Khalid el-Masri, der nach eigenen Worten Ende 2003 in Mazedonien festgenommen, später nach Afghanistan geflogen und dort monatelang festgehalten wurde.

Sollte dies wahr sein, könnte es nach den Worten Frattinis Konsequenzen für den von Mazedonien angestrebten Kandidatenstatus für einen EU-Beitritt haben. Der EU-Rat werde voraussichtlich Mitte Dezember über den Kandidatenstatus entscheiden, und dies im Lichte aller bis dahin verfügbaren Informationen tun, erklärte er. US-Geheimgefängnisse waren Medienberichten zufolge in Rumänien und im EU-Mitglied Polen eingerichtet worden.

Verantwortliche sollen bestraft werden

Sollten sich die Berichte über die CIA-Flüge bestätigen, werde die EU die USA zunächst auffordern, die Verantwortlichen zu bestrafen, kündigte Frattini an. Die transatlantische Allianz sei eine Säule der Europäischen Union, und die Vorwürfe wögen schwer. In seiner Rede mahnte Frattini, im Kampf gegen den Terrorismus nicht die Grundrechte zu opfern. "Wir können nicht unsere Werte aufgeben, um den Terrorismus zu bekämpfen."

Es müsse eine angemessene Balance zwischen dem Recht auf Sicherheit und anderen Grundrechten geben. Er stimme nicht mit denen überein, die glaubten, dass höhere Sicherheit auf Kosten der Grundrechte gehe. "Wir müssen glaubwürdig bleiben", betonte Frattini.

Deutscher Außenminister bei Rice

Die angeblichen CIA-Flüge werden möglicherweise auch Thema sein, wenn der neue deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei seinem Antrittsbesuch in den USA am Dienstag seine US-Amtskollegin Condoleezza Rice trifft. Steinmeier hatte offen gelassen, ob er das Thema in den USA ansprechen werde.

Am Wochenende hatte Innenminister Wolfgang Schäuble erklärt, Deutschland werde Folter als Mittel im Kampf gegen den Terrorismus nicht akzeptieren. "Das Folterverbot muss gelten. Da darf man auch nicht drum herumreden, nach dem Motto: im Zweifel vielleicht doch ein bisschen Hand anlegen", sagte er dem "Spiegel". Mehrere Medien hatten berichtet, Flugzeuge der CIA seien zwischen 2002 und 2004 mehr als 80 Mal in Deutschland gelandet.

Hauptdrehkreuze seien dabei die Militärflughäfen in Frankfurt und Ramstein gewesen. Die CIA habe die deutschen Flughäfen auch genutzt, um unrechtmäßig gefangen gehaltene Islamisten zu Verhören ins Ausland zu bringen, wo sie möglicherweise gefoltert worden seien.

"Die Berichte und Gerüchte über Folter, CIA-Geheimflüge und über angebliche Geheimgefängnisse wirken wie ein Befeuerungsprogramm für die Islamisten in aller Welt", sagte der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Konrad Freiberg der "Leipziger Volkszeitung". Der Gewerkschaftschef warnte von einer "Selbstradikalisierung der Islamisten-Szene in einem ungeheuren Ausmaß, bei der man auch in Deutschland Angst bekommen muss". Er forderte die neue Bundesregierung auf, mit allen Mitteln auf die Klarstellung zu dringen, dass für den Rechtsstaat der Kampf gegen den Terrorismus kein Kampf mit allen Mitteln sei. (APA/Reuters)