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Jeder dritte tödliche Verkehrsunfall ereignet sich nachts, sagt die Statistik, und das obwohl sich das Verkehrsaufkommen in der Dunkelheit um durchschnittlich fünfzehn Prozent verringert. Wer also abends auf dem Land ins Auto steigt, um den Heimweg auf unbeleuchteten Straßen anzutreten, nimmt ein erhöhtes Risiko in Kauf, zumal dann, wenn es nicht nur stockdunkel, sondern auch noch nass und kalt draußen ist. Die Autohersteller zerbrechen sich daher seit Langem den Kopf, wie sie Nachtfahrten sicherer gestalten können.

Die neueste Innovation von Mercedes in Sachen Sicherheitstechnik ist der Nachtsichtassistent, der seit September 2005 auf Wunsch in die Limousinen der S-Klasse eingebaut werden kann. Die Technik dafür besteht aus mehreren Elementen. Zum einen sind in den Frontscheinwerfern Infrarotleuchten eingebaut, die sich aktivieren, wenn die Scheinwerfer eingeschaltet werden. Infrarotlicht ist für das menschliche Auge unsichtbar, das ist wichtig, weil blendfrei für den Gegenverkehr. Zum anderen ist eine infrarotempfindliche Kamera an der Innenseite der Windschutzscheibe das zweite wichtige Element. Aus dem Zusammenspiel von Scheinwerfern und Kamera wird nämlich ein Bild erzeugt, das am Armaturenbrett aufscheint, den Tacho und andere Instrumentenanzeigen verdrängt und sie verwandelt am seitlichen Rand dieses Bildes aufscheinen lässt. Das Bild sieht im Grunde genommen genau so aus wie der Blick aus der Windschutzscheibe. Allein: Man sieht fast doppelt so weit.

Die Innovation in Zahlen: Während lichtstarke Bi-Xenon-Scheinwerfer eine hell gekleidete Person am Straßenrand erst bei einem Abstand von 160 Metern erkennen lassen, erfasst das Nachtsichtsystem diese aus einer Entfernung von 210 Metern, also 40 Meter früher.

Noch drastischer wirkt sich das System bei dunkel gekleideten Personen aus. So werden Fußgänger am Straßenrand etwa schon 164 Meter im Voraus erkannt. Der Vergleich zu herkömmlichen Scheinwerfern: Bereits nach 70 Metern verschwindet die Person aus dem Lichtkegel. Besonders auf Landstraßen soll sich Mercedes' Nachtassistent, der für einen Aufpreis ab 1740 Euro in die S-Klasse-Wagen eingebaut werden kann, bewähren. Denn gerade überland ist eines der größten Unfallrisiken immer noch der Gegenverkehr. Geblendet vom Scheinwerferlicht lassen sich Gefahren und Hindernisse auf der eigenen Fahrbahn oft nur schwer rechtzeitig erkennen. Wenn es blendet, genügt zur Vorausschau ein Blick auf das Display am Armaturenbrett.

Eine Alternative zu Mercedes' Nachtsichtsystem kommt von BMW, heißt Night Vision und kann zu einem Aufpreis von 1950 Euro in die 7er-Serie integriert werden. Allerdings funktioniert die BMW-Variante vollkommen anders: Hier erfasst eine Wärmebildkamera, wie man sie von Militäreinsätzen her kennt, einen Bereich von 300 Metern vor dem Fahrzeug. Je näher ein auf diese Weise erfasstes Subjekt kommt, umso heller erscheint es auf einem Bildschirm in der Mittelkonsole des Fahrzeugs. Äste oder Steine auf der Fahrbahn bleiben unbemerkt.

Bei Regen, Schneefall oder Nebel haben beide Systeme ihre Probleme. Wo die Technik an Grenzen stößt, müssen sich Autofahrer wieder auf ihre eigenen Sinne verlassen. (Karin Pollack/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 11. 2005)