Bild: Typemuseum
Am Sterbebett des großen alten amerikanischen Wein-Königs. Die wehklagende Familie ringsum. Der Patriarch winkt den präsumtiven Erben des Wein-Imperiums heran, der junge Mann muss sich ganz tief zum edlen Haupt des Firmengründers herniederbeugen. Der flüstert ihm das letzte, über Jahrzehnte eisern gewahrte Firmengeheimnis zu: "Mein Sohn, dieses Eine will ich Dir noch auf den Weg geben: Man kann Wein auch aus Trauben machen."

Noch wird von amerikanischen, australischen, argentinischen Winzern der (oft ausgezeichnete) Wein aus Trauben gemacht. Aber er wird mit Eichenschnitzeln versetzt, um Barrique-Reifung vorzutäuschen; Aromastoffe werden beigegeben, und bald wird auch die Gentechnik am Wein ansetzen. So kann aus einem "Chateau Toilette" mit etwas "strahligem Abgang" ein wohlschmeckender Tropfen werden. Die EU wird nun wegen des Kostendrucks den europäischen Winzern diese teilweise noch verbotenen Behandlungsmethoden erlauben müssen.

Die (Wein-)Welt steht nicht mehr lang? Könnte man mit einigem Recht meinen. Wie bei festen Nahrungsmitteln auch wird sich der Markt ausdifferenzieren in (teuere) Nicht-Design-Weine und die anderen. (DER STANDARD, Printausgabe vom 25.11.2005)