Mark Wallinger: "Painting the divide"

Foto: Galerie Krinzinger

Mark Wallinger zeigt neue Arbeiten in der Galerie Krinzinger: Die Ausstellung "W-E" thematisiert Grenz- und Konfliktzonen und die Geschichte westlicher Fantasien über die Anderen.

Wien – Mark Wallinger ist stets an Übergängen zu finden, an Grenz- und Passagensituationen, an Trenn- und somit Konfliktlinien. In all seinen Arbeiten ist eine Schwelle mit im Spiel der meist unfreiwilligen Akteure. Im Jahr 2000 hat er in der Wiener Secession das Video Threshold to the Kingdom vorgeführt. Seine Kamera war auf eine jener sensorgesteuerten Schiebetüren gerichtet, durch die Flugreisende, nachdem sie das Niemandsland "Zoll" durchquert haben, in ihre Zieldestinationen gespuckt werden.

So weit, so simpel. Doch Wallinger hat das ständige Auf und Zu der Tür, das Eintröpfeln der Grenzüberschreiter nicht nur verlangsamt, er hat den Endlos-Loop (auch so ein Markenzeichen) auch noch mit Musik unterlegt. Und zwar mit Gregorio Allegris Miserere, einem Satz aus dem 51. Psalm, den der junge Mozart notierte, nachdem er ihn am Karfreitag in der Sixtinischen Kapelle gehört hatte. Und flugs war Wallingers Video enorm mit Bedeutung aufgeladen, wurde 2. Spalte die Zollschranke zur Himmelstür.

In seiner aktuellen Personale in der Wiener Galerie Krinzinger reflektiert er erneut Grenzerfahrungen anhand von Blicken auf Jerusalem, Berlin und Famagusta. Zum einen zeigt Mark Wallinger die Doppelprojektion What Time is the Station Leaving the Train, zum anderen nutzt er ein Objekt, das im Zuge der stets einseitigen Begeisterung des Westens für den Osten in unsere Kultur fand – den Paravent –, um Zonengrenzen in die Galerie zu verlegen.

Die Videoprojektion zeigt eine endlose Fahrt um den Berliner S-Bahn-Ring. Die Kameras sind im Zug montiert, zeigen die beiden gegenüberliegenden Aussichten aus dem Wagon. Der Fixpunkt ist der Zug (die Grenze); Landschaften, Stationen und Menschen ziehen vorbei. In der Doppel 3. Spalte projektion verlaufen sie gegengleich, nehmen der Westen und der Osten die jeweils andere Richtung. Stabil bleib nur der Fokus. Und da kann man jetzt an Einstein denken oder an Goethes späte Begeisterung für Kultur und Poesie der Anderen (West-östlicher Divan), oder sich an der irritierenden Ästhetik der Doppelprojektion mit Fluchtpunkten begeistern oder auch nur den Menschen zusehen, die stets komisch sind, solange sie den Voyeur nicht merken.

Hinter dem Paravent

Mark Wallingers zweite Arbeit, Painting the Divide, zeigt Grenzziehungen aus der Sicht des Westens auf der Schauseite Leinwandbespannter Paravents: einen Schutzzaun in Jerusalem, eine Mauer im Berliner Zoo, einen Blick in die Geisterstadt Famagusta. Wallingers Pavillons 4. Spalte sind im Zickzack entlang der Galeriewände aufgefaltet. Deren Rückseiten sind ebenso weiß wie die Wände: Der Osten war stets Projektionsfläche für Fantasien aus dem Westen; entgegengesetzte Projektionen fanden nicht statt. Und: Hinter dem Paravent ist stets Nacktes zu vermuten – oder zumindest Hinweise darauf in Form abgelegter Sachen. In jedem Fall dient der Paravent dazu, in seiner Funktion des Verbergens Neugier zu wecken.

Marc Wallinger zu seiner Schau W-E: "It takes Goethe's poems as a starting point in mediation upon the West's ideas oft the East, A refuge for the imagination: an eroticised and fabulous land were one might meet ones reflections, or loose oneself through the looking glass." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.11.2005)