Teddy Podgorski, Fernsehlegende und früherer ORF-Generalintendant.

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Fernsehgeschichten aus fünf Jahrzehnten. Mit dabei im "11er-Haus": Bettina Redlich, Wolfgang Böck, Ivan Urbanek, Johannes Silberschneider.

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War Fernsehen früher besser? "Nicht unbedingt", meint Teddy Podgorski, Fernsehlegende und früherer ORF-Generalintendant. "Die Wertigkeiten haben sich geändert. Am Anfang war es ein Kulturmedium, danach ein Informationsmedium, später ein Unterhaltungsmedium – und jetzt ist es ein Ablenkungsmedium."

Beim "11er-Haus" lässt er sich freilich nicht ablenken: Podgorski ist ein aufmerksamer Schauer. In fünf Teilen erzählt Harald Sicheritz ab Freitag um 21.20 Uhr auf ORF 2 Fernsehgeschichten aus fünf Jahrzehnten, Alfred Dorfer schrieb dazu das Drehbuch. Die Einladung des STANDARD zum Lokalaugenschein nimmt der 70-jährige Podgorski "mit Vergnügen" an.

Oktober 1955, Familie Moser erwirbt den ersten Fernseher

Erste Szene, Oktober 1955: Im "11er-Haus" rennen die Leute zusammen, Familie Moser erwirbt den ersten Fernseher. Zu jener Zeit war Podgorski 20 Jahre und arbeitete bereits im Aktuellen Dienst des ORF. Bei ihm war es anders: "Wir haben unsere eigenen Sendungen im Wirtshaus angeschaut." Erst in den 60ern kam ein Dienstgerät ins Eigenheim.

"Manderlradio"

Die Mosers starren fortan wie gebannt auf die bewegten Bilder, Podgorski ergänzt: Ein großer Teil der "besseren Leut', vor allem die ÖVP-ler, waren eigentlich gegen das Fernsehen. Es zerstört die Familie, verdirbt die Kinder und schadet den Augen, hieß es."

Nur wenige versprachen dem "Manderlradio" eine Zukunft, Podgorski gehörte zu ihnen: "Ich habe damals wirklich geglaubt, dass das etwas Besonderes wird. Wobei: Letztlich ist es dann doch nichts Besonderes geworden."

"Ein bissl was von Schulfunk"

Im "11er-Haus" wird einstweilen eifrig fern geschaut. Zu sehen ist die übliche Mischung: "Kasperl", "Zeit im Bild", Toni Sailer in Cortina 1956, Chruschtschow und Kennedy 1961 in Wien ("Hab' ich moderiert."), Marcel Prawy. Folge eins umspannt den Zeitraum von 1955 bis 1965 und hat, meint Podgorski schon nach zehn Minuten, "ein bissl was von Schulfunk."

Die gute Laune ist dann auch bald vorbei. Der wortgewaltige Kritiker ist unruhig, seine Kommentare werden knapper. Erzählerin Julia Stemberger sagt: "Die zweite Hälfte der 50er-Jahre war eine Zeit der Veränderungen." Podgorski windet sich: "Sowas tut man nicht." Die Hausparteien scharen sich um die Bassena: "Muss natürlich auch ins Bild." Wolfgang Böck beschwert sich über die ORF-Gebühren: "Er regt sich über Gebühr auf." Gertraud Jesserer sei "auch immer abgehärmt".

"Mathematieeek"

Der Wiener Lehrer Moser sagt: "Mathematieeek". Podgorski: "Das ist für den Verkauf nach Deutschland. Der sicher nicht stattfinden wird." Von der Detailtreue des 50er-Jahre Mobiliars ist er kaum beeindruckt: "Ein bisschen sehr aufdringlich das Arrangement von 50er-Jahre-Möbeln mit dem Nierentisch und der achtarmigen Lampe mit Messinghütchen." Immerhin: Johannes Silberschneider sei ein "grandioser Schauspieler".

"War da irgendeine Pointe?"

Kurze Konzentrationsschwächen schleichen sich ein: "Ich hab' nicht aufgepasst, aber war da irgendeine Pointe?" Böck bringt stolz eine kitschige verzierte venezianische Gondel nach Hause. Was denn das sei, wird Böck gefragt und entgegnet: "Eine Fernsehlampe." – "-leuchte", verbessert Podgorski und erklärt: Wissenschafter hätten sie früher propagiert, denn sie schone das Augenlicht. Böck stellt das Teil aufs TV-Gerät und verärgert Podgorski damit noch mehr: "Hier werden nur Reliquien abgefeiert!"

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Nach einer Stunde atmet der "Fernsehsaurier" (Eigendefinition) durch und fällt ein weitgehend vernichtendes Urteil: Er hätte sich mehr Originalausschnitte gewünscht, das Wirtshaus als Hort gemeinschaftlichen Fernschauens fehle ihm komplett. Fazit: "Das Leben mit dem Fernsehen ist bei den 'Simpsons' besser dargestellt." (Doris Priesching/DER STANDARD, Printausgabe, 25.11.2005)