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2002 transportierten die ÖBB noch 405.000 Lkw über die Schiene. Heuer werden es nur noch 200.000 sein. Der Produktionsanteil der Rollenden Landstraße ist von 12 Prozent auf die Hälfte zurückgegangen.

Foto: APA/Salek
Wien - Die ÖBB erwarten wegen der anhaltenden Verlagerung auf die Straße heuer einen leichten Rückgang im Güterverkehr. Seit 1993 habe sich das Transportvolumen (inklusive ÖBB-Straßentransport) von 60 bis auf 92 Millionen Tonnen erhöht. Heuer sei ein geringfügiger Rückgang in der Beförderungsleistung zu erwarten, erklärte ÖBB-Güterverkehrsvorstand Ferdinand Schmidt am Donnerstag bei einem Vortrag. Grund dafür sei vor allem ein Rückfall in der Rollenden Landstraße (RoLa), also beim Transport von Lkw auf der Bahn.

2002 - zum Höhepunkt der RoLa - transportierten die ÖBB noch 405.000 Lkw über die Schiene. Heuer werden es nur noch 200.000 sein. Der Produktionsanteil der Rollenden Landstraße sei damit dramatisch von 12 Prozent auf die Hälfte zurückgegangen. Schuld daran sei unter anderem die veränderte europäische Transportpolitik in der EU, etwa der Wegfall der Ökopunkte und des Transitvertrags. Durch die EU-Erweiterung seien außerdem die langwierigen Grenzkontrollen für Lkw weggefallen. Der Straßentransport sei dadurch mit einem Schlag um bis zu 40 Prozent billiger geworden. Das habe die Bahn zu spüren bekommen, so Schmidt.

Der Personalstand bei der ÖBB-Güterverkehrstochter Rail Cargo Austria (RCA) hat ihm zufolge "rasant fallende Tendenz". Von 2001 bis zum Vorjahr ist die Mitarbeiterzahl von 3.600 auf 3.100 gesunken, heuer werden es "deutlich unter 3.000 sein".

Anders als die Straße kämpft die Bahn nach wie vor mit enormen Grenzwartezeiten. Die ÖBB beschäftigten alleine für die Grenzadministration 230 Mitarbeiter, beklagte Schmidt. Hier müsse weiter reduziert werden. Auf der Strecke Köln-Kösseköy (Türkei) benötige die Bahn für die Grenzmodalitäten in Summe 22 Stunden. Dennoch sei die Bahn auf dieser Langstrecke mit 99 Stunden Gesamtfahrzeit um fast zehn Stunden schneller als der Lkw. Auf diesen transeuropäischen Strecken sieht Schmidt auch die einzige Chance für die Bahn, der Straße ernsthaft Konkurrenz machen zu können.

Die Situation werde durch die Liberalisierung noch verschärft. Auf den attraktiven Langstrecken, auf denen die ÖBB bisher Gewinne geschrieben hätten, bekämen sie zunehmenden Wettbewerb. Auf 30 Prozent der Strecken seien die ÖBB mit einer Auslastung von unter 30 Bruttotonnen unterwegs. Dort werde es "nie im Leben Konkurrenz (durch andere Bahnen, Anm.) geben".

Weil eine Querfinanzierung aus Gewinnen der Langstreckenzüge auf Grund des zunehmenden Preisdrucks nicht mehr möglich sei, würden die ÖBB ihre "Produktgestaltung in der Fläche überdenken müssen", so Schmidt - Zitat: "Das ist kein Rückzugsgefecht, sondern ein Erkennen von Realitäten. Wir werden uns zunehmend an betriebswirtschaftlichen Kriterien orientieren und rationalisieren. Und wir werden die Portfolios bereinigen müssen und uns verstärkt auf europaweite Züge konzentrieren".

Die Marktanteile der Bahn in Europa würden deshalb durch die Liberalisierung nicht steigen, sondern zurückgehen, so Schmidt. In Großbritannien, dem "Mutterland der Eisenbahnreform" liege der Marktanteil der Schiene im Güterverkehr nur noch bei 8 Prozent, in Österreich dagegen noch bei 35 Prozent.

Um in der "kleinteiligen österreichischen Wirtschaft" die Kunden nicht zu verlieren, wollen die ÖBB noch stärker als "Gesamtlogistiker" auftreten, d.h. nicht nur auf die Schiene, sondern auch auf die Straße, Wasser und Luft setzen und Terminals als Verknüpfung mit der Bahn ausbauen. "Wenn wir die Spedition nicht haben, sind wir tot", so Schmidt. Heuer werden die rund 80 Tochterunternehmen der ÖBB-Speditionsholding zusammen über eine Milliarde Euro Umsatz erwirtschaften und damit erstmals mehr als die RCA AG mit dem herkömmlichen Transportgeschäft.

Mit 2006 wird der europäische Bahnverkehr komplett liberalisiert. Ab kommendem Jahr können damit sämtliche Bahnen aus dem EU-Ausland Güterzüge in Österreich und umgekehrt die ÖBB Züge im Ausland betreiben.

Die ÖBB wollen dabei vor allem durch Expansion im Osten wachsen. Wie berichtet, haben sich die ÖBB um die Privatisierung des Güterverkehrs in der Slowakei beworben. Eine Entscheidung wird im Jänner erwartet. Ausgliederungen des Güterverkehrs in eigene Aktiengesellschaften erwartet Schmidt auch in Ungarn, Tschechien und Slowenien. Die ÖBB seien sowohl zu Komplettübernahmen als auch für strategischen Beteiligungen oder Betriebsallianzen bzw., wo all dies nicht möglich sei, auch zum Selbsteintritt in die Nachbarmärkte bereit, betonte Schmidt.

Weitere Zukäufe sind auch im Westen geplant: In Spanien prüfen die ÖBB gerade eine Übernahme. Details nannte der Vorstand aber nicht. (APA)