Ein neuer Standort für den ORF: Die Varianten im Gespräch

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Monika Lindner: Kein Kommentar seitens der ORF-Chefin

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Heinz Fiedler: Der Betriebsrats-Chef ist gegen einen Neubau

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Michael Häupl: Der Bürgermeister will unterstützend einwirken

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Die Debatten um einen Neubau für das ORF-Hauptquartier laufen hinter schalldicht verschlossenen Türen. Sowohl Generalintendantin Monika Lindner als auch Kaufmännischer Direktor Alexander Wrabetz wollen sich dazu öffentlich nicht äußern.

Fakt ist: Das ORF-Zentrum am Küniglberg muss rund 40 Jahre nach seiner Inbetriebnahme generalsaniert werden. Dazu kommt: Die Architektur Roland Rainers war zu ihrer Zeit wegweisend - für den zeitgemäßen ORF-Betrieb hat sie jedoch trotz Adaptierungen ausgedient: zu groß, städtebaulich falsch gelegen und für eine Kommunikationskultur vergangener Zeiten ausgelegt.

Sanierung oder neues Quartier?

Der ORF muss entscheiden, ob das Haus saniert oder ob nicht besser gleich ein neues Quartier bezogen wird. Letzterer Variante gegenüber zeigte sich Michael Häupl auf den Medientagen wachen Ohres - er dachte laut über die Vorzüge einer Übersiedelung des ORF in innerstädtischere Lagen nach. Häupl-Sprecher Christoph Ronge: "Das war das hochoffizielle Angebot, hier hilfreich und Partner des ORF zu sein."

Die Variante Neubau wäre tatsächlich für (fast) alle Beteiligten in vieler Hinsicht bestechend: Die Stadt verfügt über zu entwickelnde zentrumsnahe Flächen, denen ein Unternehmen wie der ORF bestens zu Gesichte stünde. Auch wären die rund 1200 Mitarbeiter, die derzeit in einer Art Kleinstadt am Berg residieren, endlich an das öffentliche Stadtleben angeschlossen. Geeignete Standorte, so hört man vonseiten der Stadt sowie des Senders, wären etwa das Nordbahnhof-Areal, die Aspanggründe, vor allem aber das Südbahnhof-Areal. Letzteres besticht durch die Nähe zu Innenstadt und Funkhaus und den in diesem Bereich geplanten Nutzungsmix. Ein ORF als Zugpferd würde die Stadtteilentwicklung hier exorbitant beschleunigen.

Teure Erhaltung

Dazu kommt: Der ORF könnte anhand einer neuen Architektur nicht nur seine innere Struktur überdenken, sondern auch betriebswirtschaftlich vernünftig agieren. Derzeit verfügt man mit rund 105.000 m² Küniglberg-Burg über zu viel teuer zu erhaltende Nutzfläche. Allein die Betriebskosten belaufen sich mit 5,5 Mio. € pro Jahr auf Summen, die heute kein vernünftig agierendes Unternehmen auszulegen bereit ist. Zum Vergleich: Pro Quadratmeter schlagen sich die Betriebskosten mit 4,4 € pro Monat zu Buche - bei modernen Bürobauten der Spitzenklasse liegen die Richtwerte nicht über 3,16 €.

Wenn man inoffiziellen, ORF-internen Berechnungen zufolge künftig zudem lediglich nur noch rund 60.000 m² benötigt, ergeben sich im Falle eines Neubaus allein bei Betriebskosten Einsparungen von ca. 3,2 Mio.€ pro Jahr.

Gutachter bewerten

Auch die kolportierten Sanierungskosten des - noch immer nicht gänzlich asbestfreien - Rainer-Baus von 50 Mio. € gehören bei nüchterner Betrachtung in den Sendebereich der Märchenstunde. Sie inkludieren noch nicht den Bereich der Haustechnik, der nochmals mit rund 30 Mio.€ zu veranschlagen ist. Und wenn, wie aus dem ORF sickert, auch noch die tragende Stahlstruktur des Hauses aufgrund von Rissen in der Betondeckung korrodiert, ist selbst diese Summe von 80 Mio.€ nur als positivistisch-blauäugiger Richtwert zu betrachten.

In den Räumen der an der Wetterseite des Hauses gelegenen ORF-Direktion begnügt man sich also derzeit nicht damit, die einsickernde Nässe zu betrachten. Man rechnet vielmehr. Und man lässt rechnen: Im kommenden Frühjahr sollen die Bewertungen zweier unabhängiger Gutachter vorliegen, erst dann, so Wrabetz, wolle man konkreter werden.

Gespräche im Hintergrund

Tatsächlich laufen bereits jetzt im Hintergrund klärende Gespräche mit der Stadt, zu denen sich zwar ebenfalls niemand laut äußern will, die aber naturgemäß erforderlich sind, will man fundierte Kosten-Nutzen-Analysen auf den Tisch legen. Ein Neubau macht nur dann Sinn, wenn der ORF gemeinsam mit einem Immobilienunternehmen eine Errichtungsgesellschaft gründet und sich in der Folge in ein neues, nach seinen Erfordernissen optimiertes Gebäude einmietet. Damit ist für Investoren einerseits die langfristige Mietbindung gesichert, der ORF kann andererseits je nach Bedarf Reserveflächen in Anspruch nehmen oder auch nicht. Immobilieninsider orten "jede Menge Bereitschaft" in der Branche, ein solches Kooperationsmodell in Angriff zu nehmen.

Bleibt die Frage, was mit Roland Rainers Haus auf dem Küniglberg geschehen soll. Die Überlegungsvarianten reichen von einem Altersheim bis zum Wohnbau. Wer dafür investieren könnte, bleibt derweil offen. (Ute Woltron/DER STANDARD; Printausgabe, 24.11.2005)