Foto: Periplus Editions
Wie es in der Logik heißt: A kann nicht gleich Nicht-A sein. A ist mit sich selbst identisch. A ist gleich A. Absolut ist gleich absolut. Der Mann, der das am besten wissen muss, Richard W. Lewis, "Absolut Worldwide Account Director at TBWA\Chiat\Day", sagt stolz: "Absolut lasts." Die Werbung für die erfolgreichste schwedische Getränkemarke geht weiter.

Vergiss den Geschmack. Wer außer ein paar Profis erkennt schon die feinen Unterschiede zwischen verschiedenen Wodkas? Die Markenstrategen haben früh erkannt, dass die augenfälligste Sonderstellung ihres Außenseiters auf dem von Russen und Polen beherrschten Markt die Flasche war, dieses stämmige, vierschrötig praktische Gebinde - fast eine Art Feldflasche. Vor 25 Jahren haben sie gemeinsam mit der Agentur TBWA begonnen, die Flasche mit Bedeutung aufzuladen, mit Witz, Grafik, Kunst, Kalauern, Anspielungen und Wortspielen, Ironie und Selbstironie, mit Mode und Methode.

Die anfängliche Idee hat gehalten

Die Flasche steht in der Werbung seither immer im Mittelpunkt, buchstäblich. Wie verzerrt, verschlüsselt, verrätselt sie im Laufe ihres nicht enden wollenden Produktlebenszyklus auch erscheint, sie bleibt erkennbar; darunter ein Titel, lakonisch und in Großbuchstaben: ABSOLUT X. Nur X ist variabel. Noch nie war eine Kampagne über Jahrzehnte so mit sich selbst identisch. Vom Start weg erklomm der schwedische Neuankömmling die obersten Verkaufsränge der Premium-Wodkas, zuerst in den USA, dann in Europa und anderen Teilen der Welt. In Blindtests schnitt Absolut selten so gut ab, umso mehr waren die Werber stolz auf ihren Einfall mit der Flasche. Vor zehn Jahren zogen sie ein erstes Erfolgsresümee.

"The Absolut Book" war das,...

... wie man hört, 300.000-mal verkaufte Resultat. Jetzt sehen Lewis & Co. die Zeit reif für eine zweite Bilanz. "Absolut Sequel" (Periplus Editions, 2005) ist, getreu dem Titel, genau das: eine Fortsetzung à la Hollywood, more of the same, Variationen des Themas. Lasst euch etwas einfallen, Kreativdirektoren. Sie haben sich einiges einfallen lassen seit 1995. Mehr als 150 Städte haben sich der Form der Flasche unterworfen, seit in ABSOLUT LA die Stadt als einschlägig geformter Swimmingpool repräsentiert wurde. Internet und Werbefilme wurden zu neuen Betätigungsfeldern für immer ausgefallenere Ideen. Sie waren nicht durchwegs erste Sahne. Die Kalauer und die gewollt originellen Bildideen haben im Vergleich zum ersten Band zugenommen. Ob es lustig ist, wenn die Menge in ABSOLUT POTEMKIN, welche die Stufen in Odessa hinunterläuft wie in Eisensteins Film "Panzerkreuzer Potemkin", die Form einer schwedischen Wodkaflasche hat, darüber mag man mit russischen Alkoholikerbetreuern diskutieren. Doch weil sie eine gute Partie sind, haben die Macher dem Buch einen selbstkritischen Teil angefügt: nicht veröffentlichte Sujets, die sie gerne gemacht, und veröffentlichte Sujets, die sie lieber nicht gemacht hätten.

Außerdem sagt Spiritus Rector Lewis, dass er sich nun anderen Aufgaben widmen möchte. Die Werber werden ohne ihn weitermachen können - längst liefern die Fans, Sammler und Fanatiker von sich aus Vorschläge, ähnlich wie vor etlichen Jahren bei der Jägermeister-Kampagne in Deutschland. Darum wird wohl auch das neue Buch nur eine Zwischenbilanz bleiben. Richard Lewis hat mittlerweile, sagt er, einen ganz bestimmt geformten Grabstein für sich bestellt. Hofft er, im nächsten Band, in der Hall of Fame der Flaschenform, einen Ehrenplatz zu bekommen?
(Michael Freund/der Standard/rondo/25/11/2005)