Mike Kelley hat bei Larry Gagosian in Chelsea, New York, installiert, was passiert, wenn Amerikaner einmal im Leben feiern: Innenansichten einer Highschool-Party.

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Bei Larry Gagosian in Chelsea, New York, zeigt der Trashkenner neueste Forschungsergebnisse zur Tiefenpsychologie des amerikanischen Alltags.


New York - Larry Gagosian zeigt Mike Kelley. Natürlich nicht irgendetwas von Mike Kelley, er zeigt in seiner "Filiale" in Chelsea, New York, Day is Done, eine Installation des 1954 in Detroit geborenen Sub- und Hobbykulturforschers, die sich wohl nur ganz wenige Museen hätten leisten können. Für Gagosian scheinen die Produktionskosten des Multimedia-Musicals ebenso wenig ein Problem darzustellen, wie es ihm auch gelingen wird, die 34 Videoepisoden des "Stücks" samt entsprechenden Bühnenbildern und Kostümen mit Profit an den erlesenen Sammler zu bringen.

Aber Larry Gagosian vertritt in seinen vier Galerien (neben Chelsea eine in der Madison Avenue, eine von Richard Meier gestaltete Dependance in Beverly Hills, eine in Londons Britannia Street) ja auch Größen wie Damian Hirst, Cy Twombly, Anselm Kiefer oder Richard Serra. Dazu kommen unter den dutzenden anderen Künstlern die Österreicher Franz West und Gelatin.

Gagosian ist einer der großen Player am Kunstmarkt. Mit den Budgetmöglichkeiten des Händlers können die Museen längst nicht mehr mithalten. Und auch das Personal des Galeristen ist durchaus institutionell: Neben Verkäufern, Marketing-, PR- und Pressebetreuern beschäftigt Gagosian auch Kunsthistoriker zur aktiven Unterstützung seiner Künstler. Elan Wingate, einer der Galeriedirektoren, etwa ist so ein Chefdramaturg. Und verantwortlich für Mike Kelleys dramatisierte Fassung gleich mehrerer Highschool-Jahrbücher.

Ausgangspunkt für Day is Done waren alte Schwarz-Weiß-Fotos von "extracurricular activities", worunter man sich jene Partys und Inszenierungen zum Schulabschluss vorstellen muss, bei denen der Durchschnittsamerikaner einmal über alle Maßen auszuckt, ehe er ein bieder an Karriere und Familie orientiertes Restleben zu führen beginnt. Kelley ist, ganz seiner Werkgeschichte verpflichtet, erneut in die Niederungen des Alltags eingetaucht, in die Schreckenswelten hinter den bürgerlichen Fassaden, in die menschlichen Abgründe, in die Hölle der kopulierenden Plüschtiere, der Ohnmacht im Hobbykeller, der stets unterdrückten Libido. Mike Kelley hat zu all den Fotos, die brave Midwest-Kinder in Halloween-Kostümen beim Budweiser-gestützten finalen Durchdrehen zeigen, Geschichten erfunden: Dialoge, die vielleicht stattgefunden haben, Stücke fiktiver Schulaufführungen, Kitschballaden zwischen Blues und Ku-Klux-Klan für eingerauchte Hillbillies in Satanskostümen.

Hightech-Basteleien

Und Mike Kelley hat professionelle Schauspieler engagiert, um die Szenen auf rekonstruierten Originalschauplätzen nachzustellen. Die dabei entstandenen 32 Videos zeigt er nun in einem klug inszenierten Labyrinth aus Requisiten, Meublage und teils mechanisch animierten Kostümen. Wege durch die Installation ergeben sich aus den zeitversetzten Startzeiten der einzelnen Videos ebenso wie aus einer Licht- und Effektregie, die auf Equipment zurückgreifen kann, von dem jeder alte Glamrocker noch heute feucht träumt.

Mit der Installation half a man ist Kelley Ende der 80er-Jahre international bekannt geworden. Seitdem fertigt er Bastelarbeiten, die wie Psychoanalysen wirken, systemkritische Filzassemblagen, Zeichnungen, Bilder zu seinen Themen: Unisex Love Nest, Black Out, Catholic Taste, White Trash at Phobic . . .

Mit Day is Done hat Kelley den vorläufigen Höhepunkt seiner Hightech-Basteleien erreicht. Aus gut drei Stunden Filmmaterial ist es jedem überlassen, sich seine persönliche Montage von traurigen White-Trash-Helden, fundamental-katholischen, darob aber nicht weniger zugekifften Cheerleadern, liebenswürdig-verblödeten satanistischen Praktiken und volkstümlichen Trinkspielen zusammenstellen. Ob für zehn Minuten oder die volle Länge, ist egal. Altmeister Kelley hat erneut gezeigt, wozu ein guter Installateur imstande ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2005)