Seit Jahren gehört die Mammografie zu den umstrittensten Diagnoseverfahren rund um Krebsfrüherkennung. Die für Frauen unangenehme Prozedur des Screenings der Brust zur Früherkennung von Brustkrebs werde inflationär eingesetzt, heißt es, und das bei relativ hoher Fehlerhäufigkeit. Die magere Erfolgsrate gibt den KritikerInnen Recht: "Durch Mammografie-Screening nimmt der Anteil der Frauen, die nicht an Brustkrebs sterben, um 0,07 Prozent zu", meint etwa Medizinerin Ingrid Mühlhauser, Professorin an der Uni Hamburg. Von 1000 Frauen im Alter von 40 Jahren erkranken heute etwa 13 bis zu ihrem 50. Lebensjahr an Brustkrebs, drei davon würden an Brustkrebs sterben. "Nur diese drei von den 1000 profitieren letztendlich von der Mammografie als Früherkennung", errechneten Franz Fischl und STANDARD-Redakteur Andreas Feiertag in ihrem Buch "Wirtschaftsfaktor Brustkrebs" (Springer).

"Ich glaube schon, dass Geräte und Ausbildung besser geworden sind", meint der Epidemiologe Christian Vutuc vom Wiener Krebsforschungsinstitut. Aber noch immer gebe es Praxen, die "nicht gut ausgerüstet" seien. Dass GerätemedizinerInnen auf Kosten von PatientInnen Geld zu verdienen suchen, kann sich der Mediziner Thomas Pieber von Joanneum Research, Mitglied des Verbands der Technologiezentren, vorstellen: "Ein niedergelassener Radiologe ist daran interessiert, dass seine Geräte ausgelastet sind."

Brustkrebs rückläufig

Beliebt machen sich die KritikerInnen mit ihren Vorbehalten bei KollegInnen freilich nicht. Auch Patientinnen selbst hören die Bedenken nicht gern: "Weil wir alle gerne intuitiv wüssten, dass die Diagnoseverfahren 100-prozentig zuverlässig sind", glaubt Pieber.

Vom kontrollierten Screening, das regelmäßige Untersuchungen vorschreibt, rät Vutuc ab. In Finnland und Schweden seien diese Pflicht, laut einer neuen Untersuchung des Wiener Krebsforschungsinstituts sei aber da wie dort die Zahl der Brustkrebs-Neuerkrankungen rückläufig, ob mit oder ohne verordnete Mammografie. Kontrollierte Systeme erscheinen so kaum wirksam, zudem seien sie teuer und aus datenschutzrechtlichen Aspekten problematisch, erklärt Vutuc. Er setzt auf Aufklärung und mündige Patientinnen: Gut informiert, könne "jede Frau selbst entscheiden, ob sie sich einer Mammografie unterziehen will". Noch dazu, weil viele Frauen nach dem Screening sich in Sicherheit wiegen und darob die Selbstuntersuchung der Brust vernachlässigen. Diese sei aber, meint Pieber, immer noch zuverlässigstes Mittel zur Früherkennung von Brustkrebs. (prie, DER STANDARD, Print, 21.11.2005)