Krampusse und Perchten wie hier in Mils in Tirol sind in Österreich noch integraler Bestandteil des Dorflebens.

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Gut zwei Stunden sitzt Gabriel Rauchegger jetzt in der Halle eines Innsbrucker Einkaufszentrums und schnitzt. Der Block, den er bearbeitet, duftet intensiv nach Zirbenholz und wird zunehmend unheimlicher. Schon grinsen aus einem schiefen Maul grausig bleckende Zähne, eine knollige Nase bläht die Nüstern, und darüber schielen bald zwei rollende Augen aus tiefen Höhlen.

Für Rauchegger (23), in Abfaltersbach im Osttiroler Pustertal lebend, ist das Schnitzen von Krampuslarven seit fünf Jahren Broterwerb. Zusammen mit neun Osttiroler Kollegen präsentiert er seine Kunst des Krampusmasken-Schnitzens bei einer Werbeaktion. Hundert teuflische Larven, mehr an Fantasy-Faces, Außerirdischen und Halloween orientiert als an der barocken Maskentradition, haben sie mitgebracht. Und in einem Gewinnspiel können Kaufhauskunden ein Wochenende in Lienz inklusive Besuch des Krampusumzugs am 3. Dezember gewinnen.

Zurück zu Kindheitserinnerungen...

... an die Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts: Krampus bedeutete in unserem kleinen Dorf eine Mischung aus Albtraum und wohligem Schauer. Die Großen, die 15-, 16-Jährigen, besaßen schon ihr Outfit, grauslige Larven und zottelige Jacken und Hosen aus Schaffell. Wir Zehnjährigen hatten gehörig Spundus vor ihren Glocken, Ruten und Ketten, witterten aber immer die Chance, die Angst weiterzugeben an die Kleineren, vor allem an die Mädchen. Wo beim Krampusgehen die Grenzen zwischen Ausgelassenheit und Zudringlichkeit - mitunter auch sexueller Belästigung - liegen, ist ein Thema, das mehr denn je Ethnologen, Touristiker und manchmal auch die Polizei beschäftigt. Die Anonymität der Maske, der Alkohol, der oft im Spiel ist, und die Berufung auf Traditionen, erleichtern es, das wilde Treiben als ein "La belle et la bête"-Spiel zu sehen, bei dem, so sagen die Krampusse, die jungen Frauen wohl wüssten, worauf sie sich einließen.

Nicht überall übrigens will man das Krampus-oder Klaubaufgehen touristisch nutzen. Als die Fremdenverkehrswerbung in Osttirol - wo, so wie in Kärnten, der Brauch eine besonders feste Tradition hat - das Krampustreiben zur Belebung der vorweihnachtlichen Nebensaison vermarkten wollte, winkten die Hüter des Klaubauflaufes in Matrei ab. Das sei ihr Fest und kein Event, beschieden sie den Touristikern.

Krampus, Klaubauf, Buutz oder Schwoaftuifl...

... sind die Vorboten einer Artenvielfalt von winterlichen Gestalten, die besonders in den Alpen ihr (Un)wesen treiben und in der Vergangenheit nicht selten den Unmut geistlicher und weltlicher Ordnungshüter erregten. So ist der erste Beleg über das Matreier Klaubauftreiben aus dem Jahr 1736 die Kritik eines bischöflichen Sittenwächters an der "Unsitte, in Narrengewändern und schamloser Kleidung" in alle Häuser einzudringen und sich übermäßigem Fraß hinzugeben.

Der Ursprung des Mummenschanzes, der sich in den weihnachtlichen Perchtenläufen und wilden Jagden fortsetzt und im Fasnachts- oder Winterauskehren seinen Höhepunkt findet, ist nicht belegbar, jedenfalls aber vielschichtig. Heidnische Fruchtbarkeitsrituale, Dionysos- und Saturnalienfeste, Totenkultisches, Mannbarkeitsriten verbanden sich mit höfischen "Mummereyen", wie sie auf den Reliefs des Goldenen Dachls in Innsbruck zu sehen sind. Häufig wurde die Herkunft absichtlich verschleiert. Die Kirche wollte heidnische Wurzeln nicht wahrhaben, umgekehrt ordneten etwa die Nationalsozialisten an, die wilden Winterbräuche als germanisches Kultgut zu beschreiben und christliche Zusammenhänge zu negieren. Auch der Heilige Nikolaus, in dessen Gefolge die Kirche die Krampusse allenfalls noch gelten lassen wollte, wurde von den Nazis als Knecht Ruprecht eingedeutscht.

Ein quasi ehernes Gesetz bei diesen alpenländischen Krampus- und Fasnachtsbräuchen ist, dass nur Männer daran teilnehmen, auch als Hexen. Eine Ausnahme gibt es: den Mullerlauf in Arzl bei Innsbruck, bei dem auch Frauen mittun dürfen - verkleidet als Pärchen.


Tipps:

Termine bei Osttirol Werbung. Tel.: 04852 / 65 333, www.osttirol.com Infos über Nordtiroler Fasnachtsbräuche bei Tirol Werbung, Tel.: 0512 / 5320 0, www.tirol.at Eine besondere Veranstaltung ist das alle zwei Jahre stattfindende "Axamer Wampelerreiten" am 23. Feber 2006 um 13.00 Uhr. Literatur: Kurt Grafschafter: "Wilde Jagd. Nikolaus, Krampusse, Perchten und andere winterliche Gesellschaft", Verlag Context, St. Veit/Glan, 2005. Petra Streng / Gunter Bakay: Wilde, Hexen, Heilige. Lebendige Tiroler Bräuche im Jahreslauf. Mit Übersichtskarte und Jahreskalender. Edition Löwenzahn, Innsbruck, 2005. Hans Gapp: Die großen Fasnachten Tirols. Edition Löwenzahn, Innsbruck, 2. Aufl. 2003. (Der Standard/rondo/18/11/2005)