Mailand/Berlin/Zürich/Frankfurt - Die Kritik des US-Präsidenten George W. Bush an Peking während seines Japan-Besuches und die Würdigung Taiwans als "gelungenes Beispiel für eine chinesische Demokratie" werden am Donnerstag von der internationalen Presse kommentiert:

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Indem er auf Taiwan verweist, hat Bush die chinesischen Führer herausgefordert. Die Ziele seiner Reise sowie sein messianischer Ton haben erhebliche Reaktionen in Peking provoziert. (...) Die Rede in Kyoto kann auch im Zusammenhang mit dem Krieg im Irak gesehen werden, den Bush als Teil seines Kampfes für die Freiheit einordnet. Mit der Herausforderung Chinas hofft Bush wahrscheinlich auch, für das bevorstehende APEC-Treffen, zu dem die 21 asiatisch-pazifischen Länder gespalten erscheinen und bei dem sich Proteste gegen die Globalisierung und gegen den Irak-Krieg ankündigen, die Grundlage für einige Erklärungen zu seinen Gunsten gelegt zu haben."

"Der Tagesspiegel" (Berlin):

"Ausgerechnet im Land von Chinas Erzfeind hielt Bush seine Rede mit Empfehlungen für die Demokratisierung Chinas. Er beschwor Japan, Südkorea und Taiwan als Vorbilder, nannte Burma und Nordkorea - die beide in Peking eine Art Schutzmacht sehen - Tyranneien. (...) Das Lob für Taiwan dürfte Peking als Ärgernis empfinden. Bushs Freiheitsrhetorik auf der Asienreise zielt in großem Maße auf die amerikanische Innenpolitik. Der Demokratisierungsdruck soll die Neokonservativen und die Forderung nach Religionsfreiheit seine christliche Basis beruhigen."

"Neue Zürcher Zeitung":

"In erfrischendem Gegensatz zu dem in Europas Hauptstädten in aller Regel anzutreffenden Duckmäusertum gegenüber China machte Bush beim Thema der politischen und religiösen Freiheiten auch um das boomende Reich der Mitte keinen Bogen. (...) Als ob dieser Ratschlag für Pekings Herrscher nicht schon unbequem genug wäre, setzte Bush auch noch zu einer eigentlichen Lobeshymne auf die demokratischen Errungenschaften Taiwans an. Er erwähnte die Inselrepublik als erfolgreiches Beispiel, wie eine Gesellschaft den Übergang von einem restriktiven politischen System hin zu einer lebendigen Demokratie gemeistert habe. Das moderne Taiwan sei heute frei, demokratisch und wohlhabend, lobte Bush. Was er damit letztlich sagen wollte und gleichwohl unausgesprochen ließ, ist ohne viel Scharfsinn zu erkennen. Die eigentliche Botschaft kann nämlich nur lauten, dass sich China mit Vorteil die politische Transformation Taiwans zum Vorbild nehmen soll. Kaum eine andere Aufforderung dürfte Chinas Machthaber in ähnlichem Maß zur Weißglut treiben. Kaum ein anderer Ratschlag dürfte stärker als Brüskierung empfunden werden. Dass sich Bush in Kyoto einmal mehr zur 'Ein-China-Politik' bekannte, wird daran wenig ändern."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":

"Etwas befremdlich ist es schon, dass der amerikanische Präsident seine Kritik an der Volksrepublik China in Japan äußerte. Andererseits: Wo, wenn nicht in Japan, sollte Bush mit seinen Worten Verständnis finden? Man darf nun allerdings gespannt sein, ob dem Präsidenten lobende Worte über die taiwanesische Demokratie auch während seines bevorstehenden Besuches in der Volksrepublik über die Lippen kommen werden. Immerhin muss er auch bedenken, dass Amerika bei der Lösung vieler Probleme auf die Unterstützung Chinas angewiesen ist. Die unmittelbare Reaktion Pekings auf die Kritik ist vorhersehbar. Man wird sich ausländische 'Einmischung' verbitten."

"Handelsblatt" (Düsseldorf):

"Noch kann Washington darauf setzen, dass die Vorbehalte gegen Chinas diktatorisches Regime die eigene Rolle in der Region absichern. Doch schon jetzt fahren viele Länder mehrgleisig. (...) Ein Faktor ist die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung der schnell wachsenden Volkswirtschaften Asiens. Schon jetzt hat der gestiegene Binnenkonsum die Region deutlich unabhängiger von Exporten in die USA gemacht. Zudem hat China die Konzentration der USA auf den Kampf gegen den Terror genutzt und seine Bande auch mit alten Rivalen wie Indien deutlich verstärkt. Um den Status quo in Asien zu verteidigen, setzen die USA auf neue Verbündete wie die demokratische Atommacht Indien und binden alte Partner wie Japan stärker an sich."

"tageszeitung" (taz) (Berlin):

"Die Allianz der USA mit Japan umschrieb Bush als Säule der Stabilität und Sicherheit in Asien. Ministerpräsident Junichiro Koizumi schmeichelte er mit der Bezeichnung als 'einer meiner besten Freunde in der internationalen Gemeinschaft'. Dennoch gelang es den beiden Spitzenpolitikern während ihres 90-Minuten-Gesprächs nicht, den einzig namhaften Streitpunkt in den bilateralen Beziehungen zu beseitigen. Eine verbindliche Aussage, wann Japan seinen Markt wieder für US-Rindfleisch öffnen wird, machte Gastgeber Koizumi nicht." (APA/dpa/AFP)