Einst erstes Haus am Platz. Seit Jahren unter Wert bespielt: das ehemailge "Wild".

Foto: Gerhard Wasserbauer

Für Generationen stand das Haus am Neuen Markt Nummer 10, im Herzen der Innenstadt, als Sinnbild für gutbürgerliche Würzbissen, internationale Delikatessen und die feine Art der Gewichtszunahme an und für sich. Eines Tages aber sperrten die Brüder Wild ihren Feinkostladen zu, die neuen Betreiber erklärten, dass von nun an alles noch wohlschmeckender und größer und noch dazu einheimischer werden sollte, worauf nach erheblichem Umbau das "Culinarium Österreich" seine Tore öffnete.

Das ist nun auch schon ein paar Jahre her. Was wie ein gutes Konzept (und die Verwirklichung der Chimäre vom "Feinkostladen Österreich") klang, erwies sich bei näherem Hinsehen als teurer Touristen-Nepp, dargebracht von überfordertem Hilfspersonal. Das Restaurant verblüffte mit massivem Zirbenholzeinsatz bei der Gestaltung, die Küche aber kam über die brave Exekution austriakischer Standards nur selten hinaus.

Die Zirbenholzstube gibt es noch

Jetzt sind die Vitrinen des Geschäfts, in denen einst der Lammschinken und andere Alpin-Exotika vor sich hin gammelten, verschwunden, die Zirbenholzstube aber gibt es immer noch. Der Name des Restaurants lautet "Haus Oesterreich". Wer dabei an die Knochen in der nahen Kapuzinergruft denkt, wird mit dem Untertitel "Tafelspitz & Wiener" in kaum lebhaftere Gefilde geleitet. Dementsprechend gibt es ein Tafelspitz-Menü, bei dem man dem gräulichen Solitär der bürgerlichen Küche von der Sulz bis zum Backfleisch (und natürlich in gesottener Form) nicht auskommt. À la carte wird neben dem unvermeidlichen Schnitzel auch Hendl paniert.

Ob die Stadt auf ein weiteres Mausoleum derart totgekochter Klassiker gewartet hat, sei hiermit bezweifelt – noch dazu, weil mit Alexander Wüllerstorff ein Koch am Herd steht, der auch ganz anders kann. Das merkt man an einem präzise angemachten Dill-Krautsalat zum gebeizten Saibling mit einem (durchaus gewagt) in Bouillon pochierten Flusskrebs, auch am dichten Ragout vom Rehrücken mit Pilzen und Karotten. Nach Jahren bei Christian Domschitz im "Ambassador" und sechs Monaten im Zweisterner "Rosa Alpina" (Südtirol) ließ er sich überreden, hier den Spagat zwischen den Erwartungen der Touristen und dem Nimbus der Location zu wagen.

Vom Service wird er dabei im Stich gelassen

Wenn der Besteckwechsel bei einer Fischbestellung so ausartet, dass einem gezählte vier Mal Messer und Gabel entfernt und wieder beigestellt werden, bis man schlussendlich erst recht ohne Fischbesteck dasitzt, dann kann man zwar Sympathie für überforderte Lehrlinge empfinden, aber kein Verständnis für Preise an der 20-Euro-Marke. Auch die speckigen Speisekarten, auf deren Umschlag das alte "Culinarium"-Logo nur notdürftig mit Kugelschreiber übermalt wurde, haben bestenfalls kabarettistische Qualität. So kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch dem "Haus Oesterreich" kaum mehr als ein Zwischenspiel in dem prestigereichen Haus am Neuen Markt vergönnt sein wird.
(Severin Corti/Der Standard/rondo/18/11/2005)