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'Bauchklang' mit ihren Amadeus Music Awards aus 2002

FOTO: APA/BARBARA GINDL

CD-Release-Party
Sa., 26.11.
Arena
3., Baumgasse 80
Einlass 20:30, Beginn 21:30 Uhr

Flyer: Release
Bauchklang. Bis vor ein paar Jahren kannte man diesen Terminus gar nicht. Bestenfalls wäre er als gespreizte Umschreibung körpereigener Folklore eingestuft worden. Piefkinesisch für Verdauungsgrummeln und anderen, vor allem olfaktorisch die nähere Umgebung gach in ein Ödland transformierende Klingeltöne. Iiih! Aus jetzt.

Mit dem Auftauchen der gleichnamigen heimischen Formation änderte sich diese Festlegung aufs Allzumenschliche schlagartig. Trotzdem spielen "bodily functions" die Hauptrolle bei diesem sehr speziellen Sextett. Die Loslösung des Begriffs aus den Tiefen des Verdauungstrakts und seine gleichermaßen spektakuläre wie auch triumphale Erhebung auf die Bühnen der Welt verdankt er den A-cappella-Künsten von Alex Böck, Andreas Fränzl, Gerald Huber, Karl Schrumpf, Pollard Perrier und Philipp Sageder.

Schon vor ihrem Debütalbum Jamzero von vor drei Jahren hat sich diese Band eine Reputation aufgebaut, die sich vor allem auf ihren intensiven Liveshows gründet. Diese sind rund 90-minütige Prozessionen, die Fränzl, Schrumpf und Co körperlich einiges abverlangen und die in den vergangenen Jahren in ganz Europa und auch in Übersee bestaunt und bejubelt wurden.

Nun erscheint mit Many People das zweite konservierte Dokument des "Vocal Groove Project" - so die Eigendefinition. Wie sein Vorgänger lebt das Album von der Aufmerksamkeit der Hörer dem Umstand gegenüber, dass sämtliche zur Klangerzeugung herangezogene Mittel aus den Mündern und den (Resonanz-) Körpern der einzelnen Protagonisten stammen: Das Hängebackenschlagzeug, der Unterkieferbass, der Zahnstein-Synthie, die Rachenputzer-Scratches, das Gaumenzapferlvibraphon . . .

Ästhetisch arbeitet Bauchklang nach wie vor an einem Groove, der sich aus Versatzstücken von Dancefloor-Stilen zusammensetzt, wodurch sich die Formation von den üblichen A-cappella-Coverversionen-Zwitscherern wesentlich unterscheidet. Präsentiert wird eine Mischung, bei der humanoid Technoides nachgestellt wird, Dub orale Behandlung erfährt oder zarte Drum-and-Bass-Schübe den Zahnschmelz vibrieren lassen. Wobei von den 17 Stücken auf Many People dann doch ein paar davon ziemliche Längen aufweisen.

Etwa das wohl nicht ganz zufällig Sorry For The Delay betitelte, in dem zu einem nicht besonders originellen Beat gefühlsarm der Klageruf "I am sorry for the delay" ertönt. Dünnbier. Verzichtbar. Auch erscheinen manche von Fränzls Texten sehr bescheiden gedacht, und auch sein Gesang überzeugt wohl nur die erbberechtigte Verwandtschaft.

Aber diese Defizite sind leicht auszublenden. Wirklich überzeugend sind die Bauchklangkünstler, wenn sie an die Grenzen ihres Machbaren gehen und man tatsächlich nur noch kopfschüttelnd in die Boxen starrt - immer daran denkend, dass diese Tracks nicht am Computer, am Drum-Kit oder am Synthie entstanden sind. Barking News ist so eine Nummer, in der das Kollektiv zur Höchstleistung kommt und dabei extrem eloquent klingt, Navigator eine andere. Darin wird eher experimentiert - und restlos überzeugt.

Ob die Bauchklang-Alben gegenüber den Liveshows ihrer Urheber bestehen können, bleibt eine individuelle Einschätzung. So viel ist sicher: Many People klingt definitiv besser als das Debüt, ist präziser produziert. Und wer die Band je in Aktion gesehen hat, ist von ihrer Kunst ohnehin restlos überzeugt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.11.2005)