Amnesty International kritisiert ungewöhnlich scharf - spricht von "Feigheit" im Prozess - zweiter Prozess sei "zwingend notwendig" Amnesty International (ai) kritisiert in ungewöhnlich scharfen Worten die Vorgänge im Fall Cheibani Wague. Von "Feigheit" im Prozess ist die Rede - und: Wäre die Polizei ein Privatbetrieb, gehörte er sofort zugesperrt.
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Wien - Schwere Vorwürfe gegen Polizei und Justiz im Fall Cheibani Wague hat am Mittwoch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) Österreich erhoben. Das Urteil sei das Ergebnis "gesetzgeberischer Feigheit", ein zweiter Strafprozess sei "zwingend notwendig", sagte Generalsekretär Heinz Patzelt. Weiters prangerte er die Ausbildung der Polizisten an, die "unvorstellbar im Argen liegt".

"Wäre die Polizei ein Privatbetrieb, müsste man ihn sofort zusperren", sagte Patzelt in einer Pressekonferenz in Wien. Es werde "nicht nach Ziel, sondern nach Zeit ausgebildet", außerdem sei die Ausbildung nicht für alle Polizisten gleich. "Da werden Leute vorsätzlich auf die Straße geschickt, die nicht das können, was sie eigentlich können sollten."

Amnesty sieht ein "unfaires Verfahren wegen fehlender Unabhängigkeit": "Die Polizei ermittelt gegen sich selbst, die Innenministerin spricht Polizisten unmittelbar danach von jeder Verantwortung frei." Darüber hinaus sei ein Urteil zweieinhalb Jahre nach dem Todesfall ebenfalls "unfair", weil dadurch "Wahrheitsfindung und Beweiswürdigung erheblich beeinträchtigt sind".

Der 33-jährige Mauretanier Cheibani Wague war am 15. Juli 2003 im Wiener Stadtpark ums Leben gekommen, weil er nach einem Tobsuchtsanfall von mehreren Polizisten so am Boden fixiert wurde, dass er erstickte - Beamte standen und knieten auf ihm. Ein ebenfalls gerufener Notarzt der Wiener Rettung hatte erst eingegriffen, als es keine Hilfe mehr gab. Von den zehn an diesem Geschehen beteiligten Personen wurden ein Polizist und der Arzt zu sieben Monaten bedingter Haft verurteilt, die übrigen freigesprochen.

Die Freisprüche gründeten sich unter anderem darauf, dass die betroffenen Beamten es mangels entsprechender Ausbildung nicht besser wissen hätten können. Die Staatsanwaltschaft will diese Freisprüche nicht hinnehmen und hat Rechtsmittel angekündigt, die beiden bedingten Schuldsprüche werden nicht bekämpft.

Andrea Huber, ai-Mitarbeiterin und Prozessbeobachterin, deponierte am Mittwoch, das Verfahren habe gezeigt, dass bei der Polizei "keine gesicherte Absolvierung vorgeschriebener Ausbildungsinhalte" festzustellen sei, Schulungen zur "Fixierung" seien ungenügend. (APA, red, DER STANDARD Printausgabe 17.11.2005)