Elisabeth Berdenich hat immer noch Spaß an der Schule und arbeitet gerne mit Kindern. Die gelegentlich emotionale Diskussion über Lehrer kann sie nicht nachvollziehen: "Ich versteh's nicht."

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Ihre Freunde nennen sie Liz (wie Taylor), ihr Lebensgefährte, der praktische Arzt in Wartberg im steirischen Mürztal, sagt ganz korrekt Elisabeth zu ihr, in der Schule ist sie die "Frau Lehrerin". Elisabeth Berdenich unterrichtet in der Musik-Hauptschule in Mitterdorf, sie ist Klassenvorstand der Dritten. Ihre Fächer sind Englisch, Geografie und Turnen, verteilt auf insgesamt vier Klassen. Außerdem macht sie an der Schule die Jazzdance-Gruppe und kümmert sich bei den Schulaufführungen um den Tanz.

Berdenich ist heuer 50 geworden, allein als Lehrerin ist sie jetzt gute 30 Jahre in der Schule. Abnützungserscheinungen gibt es da schon. Nicht immer hält die Geduld. Wenn die Schüler unachtsam sind, ärgert sie sich mehr als früher. "Wenn sie zu laut sind und ich pausenlos ermahnen muss, macht mich das nervös."

Schimpf und Lachen

"Jetzt horcht's mir zu!", schimpft sie in die Klasse. Die Kinder schauen irritiert, dann lachen sie: "Wir sind eh bei Ihnen, Frau Lehrerin." Dann lacht auch die Lehrerin.

Was Berdenich irritiert, sind die psychischen Auffälligkeiten. "Es gibt schon sehr viele verhaltensgestörte Kinder. Sie können sich nicht mehr so gut konzentrieren. Sie sind nicht in der Lage, eine Stunde dem Unterricht zu folgen, sie sind unaufmerksam, tun sich schwer, ruhig zu sitzen." Berdenich macht dafür in erster Linie Probleme in der Familie verantwortlich.

"Ich hab nicht arbeiten können", jammert ein Kind in der Schule, "meine Eltern haben zu Hause so gestritten." Berdenich: "Wir wissen viel zu wenig, was sich zu Hause abspielt, um in der Schule darauf wirklich Rücksicht nehmen zu können." Wenn zu Hause bei den Eltern eine Trennung ansteht, schlägt das in der Schule voll durch.

Zwei Kinder hat sie selbst, und sie ist dankbar, dass sie zu Hause nicht lernen musste und muss. "Die sind Gott sei Dank total selbstständig und machen ihre Sachen selbst, ein Riesenglück." Die Ältere, Claudia, ist 28 und arbeitet nach abgeschlossenem Pharmazie-Studium in einer Apotheke in der Wiener Innenstadt. Alexandra, genannt Ala, die 16-Jährige, besucht das Gymnasium in Mürzzuschlag.

Leid tun ihr andere Kinder, die sich wirklich schwer tun. Solche hat Berdenich auch in der Klasse. "Es gibt Kinder, die sind aufnahmefähig, wenn man es ihnen lange genug und mit viel Geduld erklärt, und es gibt Kinder, die können es einfach nicht." Berdenich sieht das nicht abwertend, sagt sie: "Diese Kinder haben ihre Geschicklichkeiten auf anderen Gebieten. Es müssen nicht alle studieren."

Die Schüler aus der ersten Leistungsgruppe schaffen es meistens bis zur Matura, gelegentlich auch die aus der zweiten Leistungsstufe. Die anderen beginnen eine Lehre.

Dass sie selbst ihr ganzes Leben in der Schule verbringt und vom wirklichen Leben draußen nichts mitkriegt, wie das in Klischees über Lehrer immer wieder behauptet wird, sieht Berdenich anders. "Das Tolle an dem Beruf ist die Möglichkeit, Familie und Beruf zu vereinbaren. Zu einem bestimmten Teil kann ich meine Arbeitszeit selbst einteilen." Von einem Halbtagsjob könne jedenfalls nicht die Rede sein. Zu Schularbeitszeiten ist der zeitliche Aufwand ziemlich intensiv, mit Vorbereitung und Korrektur etwa sechs Stunden pro Schularbeit, aber das lässt sich auch am Abend erledigen, manchmal auch bis Mitternacht. "Das ist der große Vorteil: Nur deshalb kann ich Beruf und Kindererziehung vereinbaren." Trotz des gemeinsamen Haushaltes mit ihrem Lebensgefährten bezeichnet sich Berdenich übrigens als Alleinerzieherin.

Die gelegentlich emotionale Diskussion über Lehrer kann Berdenich nicht nachvollziehen. "Ich versteh's nicht." Nach einer Pause sagt sie: "Das kommt vielleicht von Leuten, die selber schlechte Erfahrungen mit Lehren gehabt haben. Weil Lehrer, das muss man schon dazusagen, auch nur Menschen sind. Und wie in jeder Berufsgruppe gibt es eben solche und solche."

Ausländische Kinder hat Berdenich auch in ihrer Klasse, zwei türkische Mädchen. Die seien sprachlich schwächer. "Die sind zwar da geboren, aber die Väter sprechen nur gebrochen Deutsch und die Mütter gar nicht."

Direkte Ansprache In der Schule gibt es gelegentlich Reibereien mit den anderen Schülern, der Streit ist aber rasch geschlichtet. Die Mädchen gehen auch schwimmen, obwohl der eine Vater anfänglich Bedenken gehabt hat. "Ich hab's ihm erklärt", sagt Berdenich. "Der Vater möchte, dass etwas aus ihr wird." Manchmal, erzählt Berdenich, kommt die Sorge auch recht direkt rüber. Beim Schulskikurs kam der Vater zum Bus: "Du passen auf auf mein Kind und bringen gesund wieder", sagte er zur Lehrerin. Die lachte: "Eh klar." (DER STANDARD, Michael Völker, Printausgabe, 16.11.2005)