Aus Gründen des Umweltschutzes könne eine Behinderung des freien Handels grundsätzlich gerechtfertigt sein, erklärte der EuGH. Das sektorale Fahrverbot verstoße aber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Alternative Ausweichrouten prüfen
Die österreichischen Behörden hätten etwa nicht hinreichend untersucht, ob eine realistische Ausweichmöglichkeit bestünde, um eine Beförderung der betroffenen Güter mit anderen Verkehrsträgern oder über andere Straßenverbindungen sicherzustellen, und insbesondere, ob ausreichend geeignete Schienenkapazität zur Verfügung steht, so der EuGH. Außerdem sei der Übergangszeitraum von nur zwei Monaten für die Durchsetzung des Verbotes unzureichend gewesen, um den betroffenen Unternehmen ausreichend Zeit zu geben.
Der EuGH erkennt durchaus an, dass Österreich nach Überschreitung des von der EU festgesetzten Jahresgrenzwertes für Stickstoffoxid in den Jahren 2002 und 2003 "zum Handeln verpflichtet" war. Auch die EU-Kommission habe die Schadstoff-Statistik nicht bezweifelt. Die Tiroler Verordnung erfülle aber nicht alle Voraussetzungen für eine derartige Gegenmaßnahme. Demnach hätte Österreich einen "Plan" vorlegen müssen, der eine Reihe geeigneter, kohärenter Maßnahmen zur Verringerung der Verschmutzung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände in dem betreffenden Gebiet enthält.
Weniger beschränkende Maßnahmen prüfen
"Diese Feststellung schließt jedoch nicht aus, dass die Behinderung des freien Warenverkehrs, die sich aus dem mit der streitigen Verordnung verhängten Fahrverbot ergibt, durch eines der in der Rechtsprechung des Gerichtshofes aufgestellten zwingenden Erfordernisse des Gemeinwohls gerechtfertigt sein kann", stellen die EU-Richter grundsätzlich fest. Vor Erlassung einer "so radikalen Maßnahme wie der eines völligen Fahrverbots auf einem Autobahnabschnitt, der eine überaus wichtige Verbindung zwischen bestimmten Mitgliedstaaten darstellt", hätte Österreich sorgfältig prüfen müssen, "ob nicht auf Maßnahmen zurückgegriffen werden könnte, die den freien Verkehr weniger beschränken", und solche nur ausschließen dürfen, "wenn ihre Ungeeignetheit im Hinblick auf den verfolgten Zweck eindeutig feststand".
Insbesondere hätte Österreich untersuchen müssen, ob ausreichende Schienenkapazitäten als Alternative zur Verfügung stehen, betonte der EuGH. Diese und andere mögliche Maßnahmen habe Österreich nicht schlüssig beweisen können, wie bereits der EuGH-Generalanwalt festgestellt hat. Außerdem sei die Übergangsfrist von nur zwei Monaten "unzureichend, um es den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern in zumutbarer Weise zu ermöglichen, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen". Die Argumentation der EU-Kommission, wonach die sektoralen Fahrverbote in Tirol auch gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßen, wies der EU-Gerichtshof dagegen zurück.
Verordnung vom Mai 2003