London/Berlin - Am Wochenende sorgten britische Presseberichte für Aufsehen: Ein 25-jähriger Brite soll der erste Mensch sein, der das Aids-Virus dauerhaft besiegt hat - ohne dass er behandelt worden wäre. Bei dem heute 25-jährigen Andrew Stimpson wurde demnach im August 2002 HIV diagnostiziert. 14 Monate später hätten Tests ergeben, dass das Virus vollständig aus seinem Körper verschwunden sei, berichtete die Zeitung "News of the World".

Blutproben bestätigt

Sein Arzt habe nach mehrfach wiederholten Tests zu ihm gesagt: "Du hast Dich selbst geheilt. Das ist unglaublich, Du bist fantastisch", berichtete Stimpson dem Blatt. Der Sandwich-Verkäufer hatte sich nicht therapieren lassen, weil er sich im Anfangsstadium der Krankheit befand. Die festgestellte Menge der HIV-Antikörper war zudem offenbar ungewöhnlich gering.

Weil der junge Mann zunächst nicht glauben wollte, dass er kein Aids mehr hatte, leitete das Krankenhaus weitere Untersuchungen ein. Vergangenen Monat erhielt Stimpson dann ein Schreiben von der Gesundheitsbehörde, wonach DNA-Proben bestätigt hätten, dass alle verwendeten Blutproben wirklich von ihm stammten. Es sei "außergewöhnlich" und "medizinisch bemerkenswert", dass sich das positive Testergebnis in ein negatives gewandelt habe, hieß es in dem Brief des National Health Service, den "News of the World" und der "Mail on Sunday" veröffentlichten. Stimpson versicherte, er wolle alles tun, um Ärzten bei der Suche nach einer Heilmethode für Aids zu helfen.

Britische Mediziner haben Stimson inzwischen zu weiteren HIV-Tests aufgerufen. Das sei zur Klärung, ob und wie sein Immunsystem möglicherweise tatsächlich eine Infektion mit dem Aidserreger überwunden haben könnte, unbedingt erforderlich, hieß es am Montag beim staatlichen Gesundheitsdienst Großbritanniens (NHS).

Zugleich bestätigte der NHS, dass bei dem heute 25-jährigen Andrew Stimpson 2002 eine HIV-Infektion festgestellt worden sei und eine Untersuchung seines Blutes 14 Monate später den Befund "negativ" ergeben habe. "Ich kann jedoch nicht bestätigen, dass er sich selbst kuriert hat", sagte eine NHS-Sprecherin. "Als wir auf das negative Testergebnis aufmerksam wurden, haben wir ihm weitere Tests und die Suche nach einer Erklärung angeboten. Bis jetzt hat er das aber abgelehnt."

Die Sprecherin wies auch darauf hin, dass Stimpson mehrfach versucht hatte, das NHS-Labor zu verklagen, weil es beim ersten Mal zu einem falschen Testergebnis gekommen sei.

Experten wollen weitere Details abwarten

Skepsis vorerst auch in Deutschland: "Es hat immer wieder mal einzelne Berichte über Spontanheilungen gegeben, die allerdings schlecht belegt waren", sagte der Aids-Experte des Robert Koch-Instituts (RKI), Ulrich Marcus, am Montag in Berlin. Auch in diesem Fall seien, obwohl er offensichtlich zuverlässiger dokumentiert sei, bisher zu wenig Details bekannt.

"Es gibt jedoch theoretisch die Möglichkeit, dass das Immunsystem dieses Menschen es geschafft hat, das Virus aus dem Körper zu kriegen. Zum einen, weil es dazu durch bestimmte genetische Variationen begünstigt sein könnte, zum anderen, weil möglicherweise das HI-Virus selbst einen genetischen Defekt hatte", erläuterte Marcus. Darüber hinaus sei die Frage, durch welche Methode das Verschwinden der HI-Viren in dem britischen Fall untersucht wurde, unklar. Der Aidserreger kann weiterhin unerkannt in Körperzellen schlummern, auch wenn im Blut keine Antikörper mehr nachzuweisen sind.

Individuelles Glück nicht unbedingt für alle verwertbar

Aus der besonderen genetischen Ausstattung eines Menschen einen möglichen Ansatzpunkt im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit herauszufiltern, ist ein schwieriges Unterfangen. So ist auch eine Gruppe afrikanischer Prostituierter, die sich trotz häufiger Exposition nicht mit HIV ansteckten, seit Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen - bislang allerdings ohne großen Erfolg. (APA/red)