Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters
Vor fünfzig Jahren stellten US-Hühnerfarmer fest, dass sie, indem sie ihr Geflügel in Ställen hielten, die Hühner preiswerter und mit weniger Aufwand auf den Tisch bringen konnten als mit traditionellen Methoden der Geflügelhaltung. Die neue Methode verbreitete sich, die Massentierhaltung war geboren - das "factory farming". Alles bei dieser Produktionsmethode ist darauf ausgerichtet, lebende Tiere in Maschinen zu verwandeln, die Getreide bei möglichst niedrigen Kosten in Fleisch oder Eier umsetzen.

Umweltschützer haben darauf hingewiesen, dass dies keine nachhaltige Produktionsmethode ist. Sie ist auf fossile Brennstoffe angewiesen, um die überfüllten Ställe zu beleuchten und zu belüften und um das von den Hühnern verzehrte Getreide zu transportieren. Wird dieses Getreide, das Menschen auch direkt verzehren könnten, an Hühner verfüttert, nutzen diese es für das Wachstum von Knochen, Federn und Körperteilen, die wir nicht essen können. Wir erhalten weniger Nahrung zurück, als wir in die Vögel investiert haben, und die Entsorgung der konzentrierten Hühnerexkremente verursacht schwere Umweltbelastungen. Um das Wachstum der Vögel in diesem Umfeld zu gewährleisten, werden ihnen routinemäßig Antibiotika zugefüttert. Mediziner warnen deshalb vor antibiotikaresistenten Bakterien, die eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit darstellen.

Tödliche Folgen

Trotz begründeter Kritik hat sich Massentierhaltung in den vergangenen 20 Jahre in Entwicklungsländern, besonders in Asien, weit verbreitet - auch für Schweine und Rinder. Nun entdecken wir, dass die Folgen tödlich sein könnten: Die Wissenschaft belegte, dass die Intensivhaltung von Hühnern das idealste Umfeld für die Heranzüchtung hochgradig ansteckender Vogelgrippeviren darstellt.

Befürworter der Massentierhaltung behaupten, dass Vogelgrippe auch übertragen werden kann durch Tiere in Freilandhaltung, Wildenten und andere Zugvögel, die sich unter die in Freilandhaltung gehaltenen Vögel mischen oder im Flug ihren Kot auf diese fallen lassen. Wie Forscher jedoch herausfanden, sind in Wildvögeln auftretende Viren meist nicht besonders gefährlich. Im Gegenteil: Erst wenn diese Viren in einem Geflügelintensivbetrieb auftreten, treten deutlich virulentere Mutationen auf. Im Gegensatz dazu zeigen nach traditionellen Methoden aufgezogene Tiere höhere Widerstandsfähigkeit.

Bisher sind erst relativ wenig Menschen am aktuellen Virenstamm der Vogelgrippe gestorben. Aber wenn das Virus in eine Form mutiert, die von Mensch auf Mensch übertragen werden kann, könnte es Millionen Tote geben. Regierungen sind zu Recht dabei, Vorsorge gegen diese Bedrohung zu ergreifen. Die USA bewilligten kürzlich Ausgaben von acht Milliarden Dollar für Impfstoffe und Arzneien, etliche andere Regierungen haben zweistellige Millionenbeträge dafür bewilligt.

Billiges Geflügel gar nicht so billig ...

Allein - derartige Regierungsausgaben stellen eine Subvention der Geflügelindustrie dar. Wie die meisten Subventionen ist sie wirtschaftlich schädlich. Die Massentierhaltung verbreitete sich, weil sie billiger zu sein schien als traditionelle Methoden. Tatsächlich war sie nur deshalb billiger, weil sie einige ihrer Kosten auf andere abwälzte - etwa auf Menschen, die flussabwärts oder in Windrichtung der Betriebe lebten und nun nicht länger sauberes Wasser und saubere Luft genießen konnten. Jetzt erleben wir, dass dies nur ein kleiner Teil der Gesamtkosten war.

Massentierhaltung wälzt viel größere Kosten - und Risiken - auf uns alle ab. Also sollten diese Kosten auch von den Massentierhaltern selbst beglichen und nicht an die Übrigen von uns weitergegeben werden. Ein Anfang wäre es, eine Steuer auf Produkte aus der Massentierhaltung zu erheben, bis genügend hohe Einnahmen erzielt werden, um die Vorsorgemaßnahmen zu finanzieren, welche die Regierungen nun gegen die Vogelgrippe ergreifen müssen. So würde uns auch endlich bewusst werden, dass billiges Geflügel gar nicht so billig ist. (Peter Singer; DER STANDARD/Printausgabe, 12./13.11.2005)