Wien - Die Bundesleitung des VP-Arbeitnehmerbundes ÖAAB ruft zum Rückzug: Die Abschaffung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen sei angesichts der derzeit angespannten Arbeitsmarktsituation für den Bundes-ÖAAB kein Thema, hieß es in einer Aussendung am Freitag. Bei der Diskussion handle es sich ausschließlich um einen Vorstoß vom Fraktionsführer der Wiener ÖAAB/FCG-Fraktion in der Wiener Arbeiterkammer, Alfred Gajdosik.

Gajdosik hatte gefordert, die geringfügige Beschäftigung abzuschaffen und Arbeitnehmer, die weniger als 323 Euro im Monat verdienen, vollzuversichern - also auch in die Arbeitslosenversicherung aufzunehmen.

Von der Wirtschaftskammer kam am Freitag ein "Njet". SPÖ, Grüne und der ÖGB äußerten sich schon zuvor positiv über den Vorschlag.

"Modell wird gut angenommen"

Für Martin Gleitsmann, Leiter der sozialpolitischen Abteilung in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), ist der Anstieg der geringfügig Beschäftigten um 5.821 Personen im Oktober gegenüber dem September 2005 ein Beleg dafür, wie gut das Modell angenommen werde. Eine Aufhebung der Geringfügigkeitsgrenze würde "in keiner Weise" den Versicherungsschutz erhöhen, betonte Gleitsmann am Freitag.

"Versuche, das erfolgreiche Modell der Geringfügigen Beschäftigung abzuschaffen, würde keineswegs den sozialen Schutz in Österreich verbessern, sondern eher zu einem Anstieg von Pfusch und Schwarzarbeit und einer Erhöhung der Lohnnebenkosten führen", befürchtet Gleitsmann in einer Aussendung. Gerade in "wirtschaftlich unsicheren Zeiten" sei eine Erhöhung dieser Kosten "Gift für das Wachstum".

Viele Studenten, Frauen und Pensionisten würden als Nebenjob eine geringfügige Beschäftigung ausüben. Meist seien sie ohnedies bereits sozialversichert, behauptete Gleitsmann. Außerdem könnten sie auch freiwillig zu günstigen Konditionen den vollen Versicherungsschutz erwerben. Dass bei Aufhebung der Geringfügigkeitsgrenze mit einem Euro Beitrag der volle Versicherungsschutz in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung erkauft wird, könne wohl niemand ernstlich wollen, glaubt Gleitsmann. Zudem würde der administrative Aufwand für die Einhebung von "Bagatellbeiträgen jeden vernünftigen Rahmen sprengen".

Zustimmung von SPÖ, Grünen und Gewerkschaft

Von der Opposition und von Arbeitnehmer-Vertretern kamen zu Gajdosiks Vorschlag grundsätzlich positive Stimmen. SPÖ-Sozialsprecherin Heidrun Silhavy betonte, es handle sich um eine langjährige SPÖ-Forderung, "jeden Euro, der verdient wird, auch zu versichern". Auch der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) zeigte sich erfreut, dass der ÖAAB eine langjährige Forderung der Gewerkschaft aufgegriffen habe. Konkret fordert der ÖGB einen Einbezug aller Einkommen ab einer Grenze von 50 Euro pro Monat in die Sozialversicherungspflicht.

Der Grüne Sozialsprecher Karl Öllinger nannte den Vorschlag "diskussionswürdig". Für Öllinger wäre es denkbar, "dass man alle Beschäftigungsverhältnisse unterhalb einer sehr niedrigen Grenze, sagen wir 100 Euro, tatsächlich von der Sozialversicherungspflicht ausnimmt". Darüber hinaus könnte es auch noch einen Freibetrag bei der Sozialversicherung geben.

Nur Unfallversicherung

Geringfügig Beschäftigte sind nur unfallversichert, können sich aber freiwillig kranken- und pensionsversichern lassen, indem sie selbst Beiträge abführen. Für den Dienstgeber ist die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen erst Pflicht, wenn er mehrere geringfügige Beschäftigte angestellt hat, die gemeinsam mehr als das Eineinhalbfache der Geringfügigkeitsgrenze von 323 Euro monatlich verdienen. Er muss die Beiträge auch dann abführen, wenn sich die Beschäftigten nicht versichern lassen. (red/APA)