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"Ich gehöre auch zu denen, die sagen, Rhetorik ist schön und gut, aber wenn nötig, ist handeln gefragt", so Liebscher.

Foto: APA/Prammer
Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte nach den Worten ihres Ratsmitglieds Klaus Liebscher vor einer Zinserhöhung nicht erst einen Anstieg der Inflation abwarten.

Die Inflationsrisiken seien in den vergangenen Wochen an allen Ecken angestiegen. "Es gilt sicher auch, unliebsamen Entwicklungen in der Zukunft vorzubeugen", sagte der österreichische Notenbankchef in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Bloomberg TV. Die "berühmten" Zweitrundeneffekte - also das Übergreifen des hohen Ölpreises über Löhne und andere Preise auf die gesamten Verbraucherpreise - gebe es im Euro-Raum bisher noch nicht in ausgeprägtem Ausmaß. "Aber wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass sich keine entwickeln können", ergänzte Liebscher.

Die EZB hat in den vergangenen Wochen angesichts der spürbaren konjunkturellen Belebung, anhaltend hoher Ölpreise und der überreichlichen Geldversorgung der Wirtschaft immer schärfer vor Inflationsgefahren gewarnt. Eine Zinserhöhung ist damit nach Einschätzung von Analysten nur noch eine Frage der Zeit. Im EZB-Rat gehen aber offenbar die Meinungen darüber auseinander, ob der mit zwei Prozent historisch niedrige Leitzins schon im Dezember oder erst einige Monate später angehoben werden soll.

Keine Spaltung des Rates

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hatte jüngst die Vermutung über eine Spaltung des 18 Mitglieder starken EZB-Rates zurückgewiesen. Die Öffentlichkeit solle nur auf ihn hören und nicht auf Äußerungen einzelner Ratsmitglieder. Trichets Botschaft lautet seit vergangener Woche, die EZB könne jederzeit handeln, einen Zeitpunkt hatte er aber völlig offen gelassen.

Die Währungshüter lieferten sich geradezu eine Schlacht um die öffentliche Meinung, sagte Karsten Junius, Volkswirt von der DekaBank. "Es gibt unterschiedliche Vorstellungen über die Angemessenheit der Geldpolitik." Offenbar gehen die Meinungen auch darüber auseinander, wie lange die Inflation mit nur verbal angedrohten Zinserhöhungen statt tatsächlichen Änderungen im Zaum gehalten werden kann.

Lange Zeit war es der EZB gelungen, mit dem bloßen Betonen ihrer Handlungsbereitschaft die Inflationserwartungen niedrig zu halten. Seit einigen Wochen werfen immer mehr Analysten der Zentralbank allerdings vor, wie der sprichwörtliche Hund zu sein, der bellt und nicht beißt. Die EZB könne immer beißen, sagte Liebscher. "Ich gehöre auch zu denen, die sagen, Rhetorik ist schön und gut, aber wenn nötig, ist handeln gefragt", ergänzte das Ratsmitglied mit Bezug auf die Äußerung von Bundesbank-Chef Axel Weber, Worte seien manchmal nicht genug.

Verbesserter Konjunkturausblick

Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank wies auf den verbesserten Konjunkturausblick hin: "Ich glaube, dass sich Europa erfreulicherweise auf moderatem, aber dennoch einem Erholungskurs befindet." Die Exporte seien erfreulich, die Industrieproduktion stärker geworden, und die Stimmungsindikatoren hätten sich kontinuierlich verbessert. Am Donnerstag hatte mit Frankreich die zweitgrößte Volkswirtschaft des Euro-Raums ein Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent zum Vorquartal gemeldet und die Erwartungen von Analysten leicht übertroffen. Vorläufige Daten über das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland und der Euro-Zone werden am Dienstag veröffentlicht. Analysten erwarten eine Beschleunigung auf 0,5 Prozent Zuwachs nach 0,3 Prozent in der Euro-Zone im Frühjahr.

Analyst Junius ist der Meinung, dass sich die EZB mit ihren Inflationswarnungen bereits so unter Handlungszwang gesetzt hat, dass ein Zögern im Dezember schwer zu begründen wäre. "Die EZB muss die Zinsen erhöhen, um klar zu machen, dass sie ihre Ziele ernst meint." Im Dezember könnten die aktuellen Prognosen der EZB-Volkswirte über Inflation und Wachstum eine Grundlage dafür liefern.(APA/Reuters)