London/Zürich/Berlin/Rom - Die Terroranschläge in Jordanien werden am Freitag von zahlreichen europäischen Blättern kommentiert:

"The Times" (London):

"Nach der brutalen Logik der Al-Kaida verkörpert Jordanien alles, was die Islamisten zerstören wollen. Es ist eine Oase der Ruhe und Stabilität in einer von Gewalt erfüllten Region, wobei die Sicherheit durch einen äußerst effizienten Geheimdienst und eine starke Polizei erzwungen wird. (...) Es hat den von den USA angeführten Sturz Saddam Husseins moralisch und materiell unterstützt und wichtige Hilfe für die Ausbildung der irakischen Armee geleistet."

"The Guardian" (London):

"Bei den Bombenanschlägen gibt es einen gefährlichen persönlichen Aspekt, da sie von Abu Mussab al-Zarqawi organisiert wurden, dem berüchtigten Führer der Al-Kaida im Irak und jordanischen Staatsbürger mit vielen Gründen, sein Heimatland zu hassen - einen 'Hinterhof für die Feinde des Glaubens, die Juden und die Kreuzfahrer' (...), wie er schimpfte. Die Anschläge sind auch eine klare Erinnerung - wenn es denn noch einer bedurft hätte -, dass Al-Kaida nicht einfach eine nebulose Idee ist. Es ist eine Organisation, die Selbstmordbomber aussendet, um in großer Zahl unschuldige Menschen zu töten, (...) sie muss vernichtet werden."

"Tages-Anzeiger" (Zürich):

"Jordanien galt als friedlich, sicher und stabil. Folglich war das Königreich den militanten Islamisten von Al-Kaida seit längerem ein Dorn im Auge. Und deren Anführer im Irak, Zarqawi, drohte wiederholt damit, den Kampf in seine jordanische Heimat zu tragen. Zarqawi gehörte auch zu jenen, die bereits zur Jahrtausendwende planten, Luxushotels in Amman zu attackieren. Damals deckte der jordanische Geheimdienst die Verschwörung rechtzeitig auf. Seither aber scheinen die Terroristen Mittel und Wege gefunden zu haben, die als sehr effizient geltenden Sicherheitskräfte zu überlisten. Vor Al-Kaida, so die Botschaft, ist heute nichts und niemand mehr sicher. Auch in Jordanien ist jetzt Krieg."

"Basler Zeitung":

"Der gebürtige Jordanier Zarqawi kann sich gegenüber den örtlichen Militanten (...) als legitimer Gegner des Haschemiten-Regimes anpreisen. So wird der Irak zur wirklichen Basis und zum Sprungbrett eines nun fast den ganzen Nahen Osten überziehenden Terrors. Und George W. Bush wird sich fragen müssen, warum ihn seine Anti-Terror-Berater vor diesem Szenario nicht gewarnt haben."

"die tageszeitung" (taz) (Berlin):

"Sowohl die Orte wie der Zeitpunkt der Anschläge sind von hoher symbolischer Bedeutung. Mit dem Angriff traf Zarqawi ins ökonomische Herz des Haschemiten-Reichs. Der Tourismus ist eine der Lebensadern des armen Landes. Die Nobelherbergen dienten in den letzten Jahren aber auch als Zufluchtstelle für alle diejenigen, die der Terror aus Bagdad vertrieben hat. Neben dubiosen Sicherheitsagenten tummeln sich hier aber genauso die Stützen des ehemaligen Saddam-Regimes. Amman wurde so etwas wie die zweite Hauptstadt des Irak - ob zur Verfassung, zum Wiederaufbau oder zum Schmieden politischer Intrigen und Allianzen, die jordanische Hauptstadt ist der bevorzugte Konferenzort. Insofern haben die Selbstmordattentäter nicht nur das Königreich, sondern in gewisser Weise auch das Nachbarland getroffen."

"La Repubblica" (Rom):

"Die Anschläge von Amman bedeuten eigentlich nichts Neues, was wir nicht schon wüssten: Die Verletzlichkeit unserer Welt, die bestürzende Leichtigkeit, mit der der Terrorismus gestörte Psychologien findet und sie in Selbstmordattentäter verwandelt, die anhaltende Aggression gegen westlich ausgerichtete arabische Regimes (...) - wäre da nicht die Tatsache, dass die mit Sprengstoff beladenen Männer aller Wahrscheinlichkeit nach einer Bande mit Sitz im Irak angehören. War der Irak bisher ein großer Importeur von Terroristen, hat er jetzt damit angefangen, auch in der Rolle des Exporteurs aufzutreten."

"Süddeutsche Zeitung" (München):

"Dem westlich gesinnten, weil einst von den Briten eingesetzten Herrscherhaus der Haschemiten steht ein skeptisches Volk gegenüber, das dem Frieden mit Israel zumindest so lange nicht traut, wie die palästinensische Frage nicht gelöst ist. Deshalb ist es kein Wunder, dass der im Irak sein Unwesen treibende Jordanier Zarqawi vermutlich relativ leichtes Spiel hatte, seine Leute ins Land zu bringen. Die Grenzkontrollen sind zwar intensiv, aber die Wüstengrenze ist lang und unbewacht. Dass Zarqawi jetzt auch an einem der letzten Ruhepole der Region zuschlagen lässt, ist wohl die erschreckendste Erfahrung dieses schwarzen Mittwochabends in Amman."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Ein Terrorschlag gegen die jordanische Hauptstadt entspricht durchaus der Al-Kaida-Ideologie: Er trifft die Amerikaner und Israelis und ihre arabischen Verbündeten beim Aufbau einer neuen Regionalordnung. Die Attentate zeigen an, dass der Terrorkrieg nun endgültig aus dem Irak auf das Nachbarland übergegriffen hat. Schon im August waren amerikanische Kriegsschiffe in Akaba mit Raketen angegriffen worden."

"Iswestija" (Moskau):

"Jordanien war das schwache Glied in der Kette der US- Verbündeten. Dass sich die Terroristen als Ziel für diese blutigen Terroranschläge Amman ausgesucht haben, ist nicht weiter verwunderlich. Die Führung des Landes stand schon seit langem auf der schwarzen Liste der arabischen Radikalen. Die islamischen Länder hielten schon König Hussein, den Vater des heutigen Staatsoberhaupts Abdullah II., für ein trojanisches Pferd des Westens im Nahen Osten. Die Nachbarn konnten der jordanischen Führung nicht die guten Beziehungen zu Israel verzeihen." (APA/dpa)